Es wird. Warum ich noch bleibe
„Nenn mir einen Grund, warum ich nicht austreten soll“, sagt sie. „Kann ich nicht“, sage ich. „Ja und warum bist du noch dabei?“, fragt sie mich. Ich glaube, sage ich nach kurzem Nachdenken, weil ich gar keine Wahl habe.
Wenn ich morgens ins Büro komme, muss ich doch davon ausgehen, dass es besser werden kann. Ja, ich habe Phasen, in denen habe ich so gar keinen Bock mehr. Es gibt wirklich an die siebenundsiebzig guten Gründe dafür (darunter skurrile, nervige, sehr schlimme und auch unsägliche), der katholischen Kirche den Rücken zu kehren.
Also warum bleibe ich?
Ich bin Feministin (ja, das sind die, die immer über alles schimpfen, besonders über alte weiße Männer, und die ständig ganz offen über Menstruationstassen sprechen wollen) und Christin. Man könnte vermuten, dass das doch bestimmt anstrengend ist. Ja, ist es. Aber es ist auch lohnenswert und macht, zumindest oft, sogar Spaß. Und DESHALB glaube ich, dass es eine gute Idee ist, noch zu bleiben in der Kirche. Ich weiß nicht, ob ich das in ein paar Jahren anders sehe. Aber ich finde, die Grundideen vom Christlichsein und vom Feministischsein lassen sich hervorragend verbinden. Das hat Potential – und in der Kirche kann ich darüber sprechen und davon erzählen.
Über die Autorin
Katie Westphal ist Pastoralassistentin. Sie schreibt Texte über Lebens- und Alltagsfragen und ist immer auf der Suche nach der richtigen Hintergrundmusik. Außerdem erzählt sie gern davon, wie es ist, Christin und Feministin zu sein: Eine gute Kombination, wie sie findet.
Sie guckt interessiert. „Aha, was meinst du denn mit – die Grundideen lassen sich verbinden?“
Eigentlich sind die christlichen Ideen ziemlich feministisch, sage ich begeistert. Zuerst einmal geht es uns um Gerechtigkeit. Darum, denen, die sonst unten stehen, die überhört und übersehen werden, Gehör und Raum zu verschaffen. Ich verstehe meinen Feminismus so, dass ich mich für alle einsetzen will, die diskriminiert und benachteiligt werden von den gesellschaftlichen Strukturen, die auf unserer Welt nun mal bestehen (wovon überdurchschnittlich häufig, aber nicht nur, Frauen betroffen sind).
Dann geht es noch, das finde ich besonders genial, um Macht-Umkehrung. Jesus Idee davon, die bestehenden Verhältnisse einfach mal umzuwerfen wie die Tische der Händler im Tempel (dazu gehören auch ein bisschen Wut und Mut), der kann ich auch als Feministin sehr folgen.
Und dann geht es um Liebe. Umfassende Liebe. Radikale Liebe. Die Nächsten, die Feinde, ja sogar mich selbst. Lieben, so wie wir sind. Wenn das mal nicht feministisch ist. Und diese Message von Paulus, „weder Jude noch Grieche, weder Mann noch Frau“ und so weiter, ja, das könnte eine feministische Vision sein. Ich meine damit übrigens nicht, dass Paulus Feminist war. Jesus ebenso wenig. Jesus war Jesus. Feminismus gab es ja damals noch gar nicht. Aber die Ideen, die teilen wir. Da können wir uns gegenseitig inspirieren.
„Aber“, wirft sie ein, „diese Zustände werden doch nie eintreten.“
Ja, sage ich. Vermutlich nicht. Dann nenne ich es eben Utopie.
Aber noch vor drei Jahren hätte man zum Beispiel kaum damit gerechnet, dass das katholische Arbeitsrecht geändert wird. Kleine utopische Hoffnungs-Splitter.
Tja, was soll ich sagen?
Wir werden nie ganz fertig sein mit allem. „Alles gut?“, fragte mal jemand in irgendeinem Tatort. „Alles ist nie gut“, hatte der Kommissar darauf geantwortet.
Ne. Aber es wird. Glaub ich.