„Wer gastfreundlich ist, nimmt sich die Zeit“
Viele Pfarrhäuser sind offen für Gäste – für Sitzungen, zum Gespräch, manchmal auch, um zu Feiern. Angelika Lügering managt als Pfarrhaushälterin in Haselünne so ein offenes Haus. „Dem Menschen zugewandt zu sein ist meine Berufung, die ich versuche, zu leben – auch wenn es nicht immer ganz einfach ist, mit zwei Berufen und einer eigenen Familie“, sagt sie über sich. Im Interview gibt die 54-Jährige Tipps, wie man Gastfreundschaft lebt und wie man sie lernt. Außerdem geht es darum, wie wichtig Gastfreundschaft in der Kirche ist.
Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Gastgeber, eine gute Gastgeberin aus?
Wer Gastfreundschaft lebt, nimmt sich Zeit für seine Gäste, das ist das Allerwichtigste! Ich glaube nicht, dass es darauf ankommt, dass der Tisch reich gedeckt oder alles perfekt vorbereitet ist. Gastfreundschaft ist, dass auch jemand spontan kommen kann, ohne angemeldet zu sein. Die Tür ist offen, wenn jemand kommen möchte, sprechen möchte. Wenn der Gast sich nicht nur als Gast, sondern auch als Freund oder Familienmitglied fühlt, dann hat man als Gastgeber einen guten Job gemacht.
Weitere Infos
Die 54-jährige Angelika Lügering kommt aus dem Emsland. Sie war fast 28 Jahre Pfarrhaushälterin in Vollzeit, 17 Jahre lang hatte sie zusätzlich einen Minijob in einem Bestattungsunternehmen. Seit einem Jahr arbeitet sie zu gleichen Teilen als Bestatterin und als Pfarrhaushälterin. Für den Beruf der Pfarrhaushälterin engagiert sich Angelika Lügering auch deutschlandweit: Seit acht Jahren ist sie Mitglied im Vorstand des Bundesverbandes der Pfarrhaushälterinnen.
Pfarrhaushälterinnen im Bistum Osnabrück
Insgesamt gibt es 63 Pfarrhaushälterinnen im Bistum Osnabrück. Die allermeisten davon üben diese Tätigkeit in Teilzeit aus oder haben einen Minijob. Nur fünf Pfarrhaushälterinnen sind in Vollzeit beschäftigt (Stand: April 2021).
Wenn ins Pfarrhaus Gäste kommen – was bereiten Sie vor?
Wenn jemand „nur“ zum Gespräch kommt, bereite ich Kaffee, Tee und Kekse vor. Wenn jemand zum Essen eingeladen ist, probiere ich oft neue Rezepte aus, das macht mir Spaß. Ganz generell finde ich, dass, wer eingeladen ist, sich auch willkommen fühlen sollte. Dazu gehört auch, dass man sich im Vorfeld Gedanken gemacht hat, was dem Gast guttun könnte. Das ist auch ein Ausdruck von Wertschätzung, die jeder Mensch verdient hat, der eingeladen ist – egal wer es ist. Mir ist dann auch wichtig, dass man weiß: Was verträgt der Gast, was nicht, was mag er, was mag er nicht und worüber könnte er sich freuen?
Unterscheidet sich die Gastfreundschaft in einem Pfarrhaus von der in einem privaten Haushalt?
Im Großen und Ganzen nicht. Dennoch sind die Besucher, die ins Pfarrhaus kommen, die Gäste von Pastor Bartke. Ob es der Bischof ist oder jemand anderes, spielt da für mich eine untergeordnete Rolle. Im Pfarrhaus möchte ich auch nicht, dass die Besucher in der Küche mithelfen. Bei mir zu Hause ist das komplett anders: Da finde ich es schön, mit Freunden zu kochen und dann gemeinsam zu essen. Das macht schon einen Unterschied für mich.
Können Sie es genießen, auch mal selbst Gast zu sein? Oder werden Sie da nervös?
Ich genieße es sehr, auch selbst Gast zu sein. Am wohlsten fühle ich mich in entspannter Atmosphäre.
Was sollten Gäste auf keinen Fall tun?
Gäste sollten sich auf gar keinen Fall unwohl fühlen … Gäste sind Freunde, in dem Moment auch etwas wie Familie. Es gibt eigentlich keine Tabus, die es nicht auch sonst im privaten Raum gibt.
Gastfreundschaft in Zeiten des Krieges
Die Kirche vor Ort – Bistum, Caritasverbände und Kirchengemeinden – leistet vielfältige Hilfe für die Menschen, die aus dem Krieg in der Ukraine fliehen. So gibt es unterschiedliche Hilfsangebote, wie Beratung durch Caritasdienste, psychologische Hilfen oder das Stellen von Wohnraum. Weitere Informationen dazu finden sich beispielswiese auf den Internetseiten des Diözesancaritasverbandes und des Bistums.
Kann man Gastfreundschaft lernen?
Ja, das denke ich schon. Vor allem, wenn man selbst die Erfahrung von Gastfreundschaft gemacht hat. Ich habe sie in meiner Familie gelernt. Auch heute noch kann jeder zu meiner Mutter kommen, sie nimmt sich immer Zeit und hat immer was im Kühlschrank oder eine offene Keksdose auf dem Tisch. Geprägt hat mich auch eine Erfahrung in Brasilien. Dort war ich drei Wochen mit einer befreundeten Ordensschwester, um die Konvente des Ordens im gesamten Land zu besuchen. Im Amazonasgebiet waren wir einmal bei einer Familie eingeladen, die ihr letztes Huhn für uns geschlachtet haben. Das hat mich nachhaltig tief beeindruckt.
Es heißt ja immer, die Deutschen sind nicht so gastfreundlich …
Ich persönlich habe immer gute Erfahrungen gemacht. Auch wenn ich als Bestatterin unterwegs bin – mir wird immer ein Wasser oder Kaffee angeboten.
Es kommen derzeit viele Menschen aus den Kriegsgebieten in der Ukraine – auch eine Chance, Gastfreundschaft zu lernen?
Ich finde es großartig, wie viele Deutsche ihre Herzen und Häuser geöffnet haben und somit vielen Flüchtlingen Sicherheit und Schutz bieten. Das ist Gastfreundschaft auf ganz hohem Niveau!
Muss Kirche gastfreundlicher werden?
Pastor Bartke und ich fahren traditionell seit 28 Jahren zwischen Weihnachten und Neujahr für zwei bis drei Tage durch Deutschland und schauen uns in Kirchen Krippen an. Da ist mir aufgefallen, dass in den letzten 10 oder 15 Jahren immer mehr Kirchen geschlossen sind. Wir kommen an und wollen die Krippe besichtigen und dann ist die Tür verschlossen. Oder man kann noch durch das Hauptportal durchgehen, steht dann aber vor einem Gitter. Da waren wir oft sehr enttäuscht. Das mag auch seine Gründe haben, Vandalismus oder andere schlechte Erfahrungen, aber Kirchen sollten offen sein, um ein Gebet sprechen zu können, eine Kerze anzuzünden oder auch einfach, um da sein zu können. Auch das ist für mich Gastfreundschaft. Auch eine Pfarrgemeinde muss gastfreundlich sein: Wer neu dazu kommt, sollte sich als Mitglied einer Gemeinschaft fühlen, so dass man dieses Dazugehörigkeitsgefühl bekommt. Aber oft sind es in der Gemeinde die gleichen Leute, die sich engagieren und nach außen als geschlossener Kreis wirken. Eine größere Offenheit wäre wünschenswert – für andere Menschen, die sich engagieren wollen. Nicht nur von außen zuschauen, sondern Lust bekommen, aktiv dabei zu sein.