Gott, wo bist du?
Aber du, Bétlehem-Éfrata, bist zwar klein unter den Sippen Judas, aus dir wird mir einer hervorgehen,
Micha 5,1-4a
der über Israel herrschen soll. Seine Ursprünge liegen in ferner Vorzeit, in längst vergangenen Tagen. Darum gibt der Herr sie preis, bis zu der Zeit, da die Gebärende geboren hat. Dann wird der Rest seiner Brüder zurückkehren zu den Söhnen Israels. Er wird auftreten und ihr Hirt sein in der Kraft des Herrn, in der Hoheit des Namens des Herrn, seines Gottes. Sie werden in Sicherheit wohnen; denn nun wird er groß sein bis an die Grenzen der Erde.
Und er wird der Friede sein.
Wer hätte das gedacht, dass aus dieser kleinen Sippe Judas der Retter, der Friedensbringer hervorgeht? Wer hätte das gedacht, dass dieser große, allmächtige Gott sich herablässt, klein macht, Mensch wird und uns Menschen in all unserer Zerbrechlichkeit ganz nahe kommt?
Wer hätte damals mit dieser göttlichen Weise des Gott-Seins gerechnet? Wer rechnet heute damit, dass Gott in unser Leben kommt, dass er eigentlich immer schon da ist, dass er immer wieder auf neue, andere Weise in diese Welt hineingeboren wird?
Wir fragen angesichts der vielen Krisen und Katastrophen: Wo bist du, Gott?
Im ersten Buch der Bibel, der Genesis, stellt Gott uns Menschen die Frage: Mensch, wo bist du?
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Mensch, wo bist du? – das ist auch die Überschrift der diesjährigen Ausstellung des Cityadvents in der Überwasserkirche in Münster. In der Kirche verteilt stehen menschengroße Skulpturen des Künstlers Aron Demetz. Diese aus Holz gefertigten Skulpturen zeigen das Menschsein in all seiner existentiellen Zerbrechlichkeit und Zerrissenheit und auch in seiner Schönheit und Würde. Es gibt diese zwei Seiten des Menschseins.
Mensch, wo bist du? Wo bist du mensch(lich)? Dort, wo Menschen einander sehen und ansehen. Dort, wo Menschen über ihren Schatten der Selbstgenügsamkeit springen, die Not und die Bedürfnisse von Menschen sehen und handeln. Dort, wo Menschen mit Gott rechnen, ihn in sich hineinlassen und ihn zum Maßstab ihres Handelns machen. Die vielen ehrenamtlich Engagierten in den Tafeln. Die Menschen, die zu Weihnachten die Einsamen besuchen. Diejenigen, die sich für den Frieden einsetzen und das Unmögliche für möglich halten. Wie damals, als aus der kleinen Sippe der Retter kam.
Wo bist du, Gott?
Immer dort, wo Menschen die Botschaft dieses Gottes in sich zur Welt und in die Welt bringen.
Hermann Steinkamp