Gottes Zu-Mut-ungen

Zwei Stühle am Hafen
Bild: AdobeStock.com, Veronique

Viele seiner Jünger, die ihm zuhörten, sagten: Diese Rede ist hart. Wer kann sie hören? Jesus erkannte, dass seine Jünger darüber murrten, und fragte sie: Daran nehmt ihr Anstoß? Was werdet ihr sagen, wenn ihr den Menschensohn aufsteigen seht, dorthin, wo er vorher war? Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben. Aber es gibt unter euch einige, die nicht glauben. Jesus wusste nämlich von Anfang an, welche es waren, die nicht glaubten, und wer ihn ausliefern würde. Und er sagte: Deshalb habe ich zu euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist. Daraufhin zogen sich viele seiner Jünger zurück und gingen nicht mehr mit ihm umher.

Johannes 6,60-66

Mit den letzten Versen des 6. Kapitels des Johannesevangeliums kommt die große Rede Jesu vom „Brot des Lebens“ vorerst an ein Ende – und für meinen Geschmack an ein recht harsches.

Er fragt: „Daran nehmt ihr Anstoß?“ und man hört heute klingen: „Kannst du glauben, musst du aber nicht“ oder: „Klar, kannst du dich abwenden, dann musst du halt mit den Konsequenzen leben“. „Es ist deine Entscheidung, nicht meine“… Na toll, danke Gott.

Manche lesen in diesen Zeilen völlig unstrittig das Maximum an Freiheit. Die Freiheit, die echtem Glauben immer vorausgehen muss, denn Glaube und Zwang, Vertrauen und Missbrauch passen niemals zusammen!

Aber was passiert, wenn ich mich abwende? Wenn ich gehe, so wie die vielen Jüngerinnen und Jünger? Wenn mit den Zwölf der „heilige Rest“ übrigbleibt?

Stell dir vor, es ist Kirche und keiner geht hin – in dieser Realität befindet sich seit vielen Jahren der Gottesdienstbesuch am Sonntag und es geht nicht spurlos an einem vorüber, dass die Bänke leerer, der Gesang dünner und der Altersdurchschnitt höher werden. Es kostet Kraft, trotzdem ermutigt und bestärkt nach Hause zu gehen, und dass sich manche diesem Gefühl nicht aussetzen, ist auch nachvollziehbar. Manchmal eine echte Zumutung. Gottes Zumutung?

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Dabei hat Jesus auch damals schon wirklich gute Argumente: eine Geistkraft, die lebendig macht, eine gewisse Toleranz gegenüber Fehlern, die dem Menschlichen einfach innewohnt, Aussicht auf ein erfülltes, vollkommendes Leben – worauf warten wir noch? In aller Freiheit konnten die Jünger*innen damals, können wir heute dazu Ja sagen … und tun es doch nicht. Oder zumindest nicht immer und ständig oder so wie man es früher üblicherweise sichtbar gemacht hätte.

Ich glaube, der Schlüssel liegt im Moment der Entscheidung und auch in dem Missverständnis, dass das was heute passt, für immer und ewig so sein muss. Wenn Freiheit – und das muss sie sein, sonst wäre sie keine Freiheit – ultimativ ist, dann können sich freie Entscheidungen ändern. Dann kann ich heute sagen, ich kann dir nicht folgen und morgen zu einem anderen Schluss kommen.

Das Gottes Frage der Nachfolge immer wieder neu beantwortet werden darf, er bis zum Schluss fest mit dir rechnet und er Platz für jede*n hat, da bin ich mir sicher!

Und auch, dass in den Zumutungen des Lebens und Glaubens immer eine gehörige Portion Gott geschenkten Mutes steckt.

Vera Jansen