Heute würdig – heute [würd ich]
13 Königinnen und Könige sind gerade zu Besuch im Forum am Dom. Die Zeit mit ihnen ist so besonders, dass ich davon erzählen möchte. Kleine und große, dunkle und helle, dicke und dünne Königinnen und Könige sind dabei, manche mit, andere ohne Krone. Alle mit einem ganz unverwechselbaren Gesichtsausdruck. Der Bonner Künstler und Diakon Ralf Knoblauch hat sie aus Holz gestaltet. Seine königlichen Skulpturen, mit denen er auch in einem sozialen Brennpunkt von Bonn arbeitet, sind unperfekt. Einer Königin fehlt der Arm, öfter scheint die Krone verloren oder auf den Boden gefallen zu sein.
Leise, fast unscheinbar und machtlos wirken diese König*innen. Und doch ist spürbar, wie intensiv sie wirken und wie sehr sie berühren. Viele Gäste des Forums gehen still und aufmerksam an den Figuren vorbei, bleiben bei einer stehen, machen ein Foto oder fassen sie an. Risse und Schrunden fühlt man dann. Und vielleicht zeigt sich gerade darin ihre verborgene königliche Würde.
Unter dem Ausstellungsmotto Heute würdig – heute [würd ich] sind die Gäste eingeladen, Postkarten zu beschriften. Heute würde ich „Würde säen und massenhaft ernten, in einer friedlichen Welt königlich“ leben, so lautet eine Notiz. Heute würde ich „dir gerne Segen zusagen“, lese ich auf einer anderen Karte. „Könige sind wir doch alle – den Nächsten, dem ich begegne, als König*in behandeln, heute verantwortungsvoll mit gegebener Macht umgehen“, auch diese Gedanken finden sich auf den Karten. Wie kostbar, dass uns Besucher*innen diese hinterlassen!
Manche nachdenklichen Gespräche und Fragen ergeben sich anlässlich der Ausstellung. Was ist Würde? Worin gründet sie? Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und doch wird die Würde angetastet, übersehen, vergessen, geleugnet, ignoriert, mit Füßen getreten. Die Würde kommt nicht laut und machtvoll daher, sondern unaufdringlich und zart. Die Königinnen und Könige von Ralf Knoblauch brauchen keine Insignien der Macht. Ihr Reichtum liegt in ihrer Berührbarkeit. Und unser Wunsch im Team des Forums wäre, dass sie diejenigen, die sie betrachten, an ihre eigene Würde und die Würde aller Menschen erinnern.
Über die Autorin
Daniela Engelhard ist Leiterin des Forums am Dom in Osnabrück. Bei der Arbeit in dieser Einrichtung der Citypastoral kommt sie mit vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt. Von Erlebnissen und Themen, die sie bewegen, berichtet sie in ihren Blogbeiträgen.
Die Ausstellung ist noch bis einschließlich 4. September im Forum am Dom in Osnabrück zu sehen. Am Mittwoch, den 31. August findet um 19:30 ein „Musikalisch-poetischer Abend“ mit den König*innen im Kreuzgang des Domes statt. Wer unseren königlichen Besuch noch erleben möchte, ist herzlich eingeladen!
Ein bisschen Wehmut packt mich. Die königliche Begleitung wird uns bald verlassen und weiterziehen. Aber das ist gut so. Sie wird an anderen Orten ihre stille Botschaft ausstrahlen: Schaut her. Wir sind wie ihr und ihr seid wie wir. Verwundbare Gestalten, ausgestattet mit einer unzerbrechlichen königlichen Würde.
„Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, du hast ihn gekrönt mit Macht und Herrlichkeit“, so sagt es ein altes Gebet in der Bibel (Psalm 8).