Hoffnung auf den Geist

Feldweg
Bild: AdobeStock.com, Petair

Als Jesus in den Himmel aufgenommen war, kehrten sie von dem Berg, der Ölberg genannt wird und nur einen Sabbatweg von Jerusalem entfernt ist, nach Jerusalem zurück. Als sie in die Stadt kamen, gingen sie in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben: Petrus und Johannes, Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Simon, der Zelot, sowie Judas, der Sohn des Jakobus. Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern.

Apostelgeschichte 1,12-14

Die kurze Lesung weitet den Blick in die Lebenswelt Jesu. Faszinierend für mich noch heute, denn ich wollte es schon als Kind genau wissen. Ein Interesse an der Geschichte Jesu war das irgendwo zwischen „Wissen macht Ah!“ und „Sendung mit der Maus“. Meine armen Eltern … denn diese TV Formate gab es da noch nicht.

Was ist ein „Sabbatweg“? Die Apostelgeschichte berichtet, dass der Ölberg nur einen Sabbatweg von Jerusalem entfernt ist. Gemeint ist damit eine religiös begründete Distanzangabe, zur Zeit Jesu so selbstverständlich wie der heutige „Kilometer“. Zu den zahlreichen Vorschriften gehörte die Festlegung der Zahl der Schritte, die man gehen durfte, ohne das Gebot der Sabbatruhe zu verletzen. Außerhalb einer Stadt waren das etwa 1000 Meter. Sabbatweg und Kilometer – das passt also ganz gut! Die Jünger hatten es nicht weit vom Ölberg in die Stadt.

In Jerusalem angekommen, so heißt es, gingen die Jünger dann in das „Obergemach“ hinauf. So, wie das hier ohne weitere Erläuterung beschrieben wird, werden die Hörer und Hörerinnen wohl gewusst haben, von welchem Obergemach die Rede ist. Vielleicht ist es identisch mit dem, in dem Jesus das letzte Abendmahl gefeiert hat. Es kann aber auch jedes andere Obergemach gewesen sein, denn das typische städtische Haus in Jerusalem war einstöckig, verfügte aber über ein solches Obergemach, das die ganze Fläche des Hauses umfasste und über eine Außentreppe zu erreichen war.

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Dann folgt eine Namensliste der Zwölf, wie sie auch in den synoptischen Evangelien (also außer Johannes) im Neuen Testament überliefert wird. Weitgehend übereinstimmend. Weitgehend, denn zum Beispiel kommt der in den Evangelien genannte Jünger Thaddäus bei Lukas und in unserer Apostelgeschichte gar nicht vor. Die Zahl Zwölf ist ohnehin eine Symbolzahl und steht für die zwölf Stämme Israels. Die Zahl der Jünger war größer und sie umfasste auch die Frauen.

Die Frauen zählten zu der im Obergeschoss versammelten Gemeinschaft ausdrücklich dazu, die  Frauen und Maria, die Mutter Jesu. Angesichts der patriarchalisch strukturierten Gesellschaft damaliger Zeit ist das ein beachtenswerter Hinweis. Denn Männer gaben den Ton an, und waren auch rechtlich die „Herren“. Frauen waren nicht nur benachteiligt, sie wurden für gewöhnlich auch nicht gezählt oder erwähnt, galten als Besitz des Mannes wie Haus und Hof. In der nachösterlichen Gemeinschaft der Christen entzündeten sich bald schon Diskussionen um die Stellung der Frau. Wer darin eine Reaktion auf das ganze andere Verhältnis der Geschlechter in der Gemeinschaft mit Jesus sieht, hat gute Argumente.

An keinem anderen Punkt der Lesung lässt sich aber so trefflich streiten, wie am folgenden: Denn es heißt ja, dass auch Maria, die Mutter Jesu, und seine Brüder dabei waren. Das beiläufige Wort „… und mit seinen Brüdern“ hat einen Tsunami an Auslegungen und Interpretationen erlebt. Für manche ist es ein Beleg, dass Jesus eben doch Geschwister hatte, mit all den Rückschlüssen, die das auf die Lehre von der „allzeit jungfräulichen Gottesmutter Maria“ hätte. Etliche Passagen in der Heiligen Schrift legen das nahe. Aber Vorsicht: Wer sich die Mühe macht, in der Apostelgeschichte nur eine Zeile über unsere Lesung hinaus zu lesen, erfährt: „In diesen Tagen erhob sich Petrus im Kreis der Brüder – etwa hundertzwanzig waren zusammengekommen.“ Brüder also, wohin man schaut.

Was aus all den Betrachtungen und ohne Idealisierungen bleibt: Freunde Jesu, die sich auf den Weg machen, die zusammenkommen an einem für sie wichtigen Ort, die sich im Gebet versammeln in der Hoffnung auf den Geist, der ihnen zugesagt ist – Männer wie Frauen.

Diakon Gerrit Schulte