Ich denk an dich

Mensch im Gegenlicht
Bild: unsplash.com, Ben White

Leg ab, Jerusalem, das Kleid deiner Trauer und deines Elends und bekleide dich mit dem Schmuck der Herrlichkeit, die Gott dir für immer verleiht. Leg den Mantel der göttlichen Gerechtigkeit an; setz dir die Krone der Herrlichkeit des Ewigen aufs Haupt! Denn Gott will deinen Glanz dem ganzen Erdkreis unter dem Himmel zeigen. Gott gibt dir für immer den Namen: Friede der Gerechtigkeit und Herrlichkeit der Gottesfurcht. Steh auf, Jerusalem, und steig auf die Höhe! Schau nach Osten und sieh deine Kinder: Vom Untergang der Sonne bis zum Aufgang hat das Wort des Heiligen sie gesammelt. Sie freuen sich, dass Gott an sie gedacht hat. Denn zu Fuß zogen sie fort von dir, weggetrieben von Feinden; Gott aber bringt sie heim zu dir, ehrenvoll getragen wie in einer königlichen Sänfte. Denn Gott hat befohlen: Senken sollen sich alle hohen Berge und die ewigen Hügel und heben sollen sich die Täler zu ebenem Land, sodass Israel unter der Herrlichkeit Gottes sicher dahinziehen kann. Wälder und duftende Bäume aller Art spenden Israel Schatten auf Gottes Geheiß. Denn Gott führt Israel heim in Freude, im Licht seiner Herrlichkeit; erbarmen und Gerechtigkeit kommen von ihm.

Baruch 5,1-9

 

„Wenn jeder an sich selbst denkt, dann ist an alle gedacht!“ Humorvoll oder zynisch? Jedenfalls ein Credo vieler Menschen unserer Zeit. Wie sehr aus Ichbezogenheit Verantwortungslosigkeit gegenüber der Gemeinschaft werden kann, zeigt in diesen Wochen die Corona Krise. Vor allem auch die Debatte um die Impfpflicht und die fast schon verzweifelten Aufrufe der Bischöfe, das Impfen sei eine moralische Pflicht zum Schutz aller.

Das Buch Baruch, aus dem die erste Lesung des Zweiten Advent entnommen ist, berichtet durchgängig vom Aneinander denken und Füreinander eintreten. Dieses kleine Buch der Hebräischen Schrift gehört nicht zu den prominentesten Texten. Und doch gehören die Lesungen daraus zu den Highlights in der christlichen Liturgie im Advent und in der Osternacht.

Baruch war ein Gefährte des Propheten Jeremia, die einen beschreiben ihn als Schüler, andere als Schreiber des Propheten. Vor dem Hintergrund des babylonischen Exils, von Gewalt und Vertreibung, berichtet Baruch aus zahlreichen Quellen von Jerusalems Klage aber auch von dessen Verheißung und Hoffnung und vom Ringen um die eigene Identität fern der Heimat. Die Gemeinde im Exil – viele der Vertriebenen haben sich in der Fremde mittlerweile arrangiert – denkt an die Schwestern und Brüder in der Heimat. Sie sammeln Geld und schicken es nach Jerusalem zum Tempel. Aus der Fremde bitten sie die Einwohner Jerusalems und die daheimgebliebenen Priester: Denkt an uns! Betet für uns!

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Sie freuen sich, dass Gott an sie gedacht hat.

Dieses kleine Wort aus der Lesung des Zweiten Advent leitet eine große und mächtige Wendung ein. Wenn Gott an seine Kinder denkt, wird Gerechtigkeit siegen, werden Menschen aus ihrer Gefangenschaft von Kummer, Schmerz und Verlorenheit befreit. Alle Hindernisse werden aus dem Weg geräumt: Die Berge werden sich senken, die Täler zu ebenem Land. Freude und Jubel herrschen.

In der Einleitung zu einem kleinen Messbuch heißt es: „Menschen, an die Gott denkt, werden schlicht und einfach königliche Menschen. Menschen, an die Gott denkt, werden fähig, miteinander gut umzugehen. Menschen, an die Gott denkt, bekommen einen Blick für Verlorenes. Unser ‚Ich denke an Dich‘ ist schon bei Gott in die Lehre gegangen.“

„Ich denke an Dich!“

Das ist nicht nur ein schönes Wort, sondern auch der Gegenentwurf zu einer Welt von Egomanen. Ich denke an Dich, das ist zugleich eine wunderbare Erfahrung: einander im Herzen tragen, den Glauben teilen, aneinander denken auch über den Tod hinaus. „Ich denke an dich!“ Das ist eine Kurznachricht, die Türen und Herzen öffnet und Mut macht in diesen dunklen Tagen! Eine SMS des Himmels, auf die viele Menschen warten – gerade jetzt.

Diakon Gerrit Schulte