In tiefer Trauer

Eine traurige Frau an einer Fensterscheibe
Bild: unsplash.com, Milada Vigerova

Der Tod eines geliebten Menschen, das Ende einer Beziehung, berufliches scheitern, Krankheit, Abschiede oder das Platzen eines großen Traums – all das und noch einiges mehr kann traurig machen.

Trauersituationen kommen so sicher im Leben wie irgendwann der eigene Tod. Keiner kommt daran vorbei, jeder muss da durch; und doch muss niemand dabei alleine sein! Da ist sich Martin Splett, Krankenhausseelsorger und im Bistum Osnabrück Referent für Hospizarbeit und Trauerpastoral, sicher. Im Interview spricht er über den Wert von Trauer und darüber, wie man lernt, mit ihr zu leben.

Herr Splett, durch ihrer Arbeit haben Sie jeden Tag mit traurigen Themen zu tun. Trotzdem ein hoffnungsfroher Mensch – wie schaffen Sie das?

Trauer ist eigentlich etwas Gutes, nämlich eine gesunde Reaktion auf eine Verlusterfahrung. Darum darf und muss Trauer sein.
Zugleich tut Trauer weh, schließlich ist Verlust schmerzhaft. Trauer ist ein Prozess, der sowohl Tun und Lassen, als auch Handeln und Abwarten umfasst. Darum braucht Trauern Zeit. Dieser Prozess ist nicht einfach planbar und verläuft auch nicht nach „Schema F“. Dennoch gibt es typische Elemente.

Welche sind das?

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Martin Splett

Martin Splett
Referent für Hospizarbeit und Trauerseelsorge
Domhof 12
49074 Osnabrück
0541 318-254
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Sie alle haben mit Auseinandersetzung, Abschied und Aufbruch zu tun: Da gibt es den Prozess vom Nicht-wahrhaben-wollen zum Realisieren dessen, was passiert ist. Erinnerungen an früher können Wehmut oder Dankbarkeit auslösen, zugleich leiden viele an nicht abgeschlossenen, ungelösten Geschichten. Zum Trauern gehört das Erleben und Erleiden der Situation, wie sie jetzt gerade ist – und das mit einer ganzen Palette von Gefühlen, von Traurigkeit bis Wut, von Schuld bis Dankbarkeit. Oft gehen mehrere Emotionen durcheinander. Irgendwann richtet sich der Blick dann wieder zunehmend nach vorne, orientieren sich Trauernde neu, stellen sich zum Beispiel auf ein Leben ohne den Verstorbenen ein – oder vielleicht auf ein Leben mit ihm, nur eben auf andere Weise.

Das heißt, irgendwann lässt die Trauer auf jeden Fall nach?

Wir Menschen sind unterschiedlich, und so trauern wir auch verschieden: Praktisch Orientierte suchen nach Dingen, die sie gut erledigen oder abarbeiten können. Andere denken viel nach, grübeln für sich allein oder suchen das Gespräch mit anderen. Wieder andere wollen sich erst mal gar nicht mit ihrer Trauer beschäftigen, lenken sich lieber ab. Und wieder andere – oder eben dieselben zu anderen Zeiten – reagieren stark emotional, erleben intensive Gefühle. Unterschiedlich zu trauern ist normal und darf sein. Nur wenn dauerhaft bestimmte Formen unterdrückt werden, wird es problematisch, dann kann die Einseitigkeit einen heilsamen Trauerprozess blockieren. So kann bisweilen manche Trauer – meist zusammen mit anderen Faktoren – auch krank machen, zum Beispiel zu einer Depression führen. Wer auf gesunde Weise traurig ist, der ist bei sich und seinen Gefühlen. Depression dagegen ist eine Krankheit, bei der man den Zugang zu sich und seinen Gefühlen verloren hat.

Wie kann ich jemandem in Trauer helfen?

Weitere Infos

Meist bewältigen Trauernde ihren Schmerz früher oder später aus eigener Kraft oder mit Unterstützung aus ihrem persönlichen Umfeld. Viele finden Beistand in der Familie oder bei Freunden. Auch der Austausch mit Menschen mit ähnlichen Erfahrungen kann guttun, oder die Betreuung durch Menschen, die sich mit der Begleitung von Trauernden auskennen. Verständnisvolle Seelsorgerinnen und Seelsorger in Kirchengemeinden, Krankenhäusern, Schulen und an vielen anderen Orten im Bistum Osnabrück bieten sich als achtsame und einfühlsame Gesprächspartner an. Sie haben Zeit und ein Herz für Gedanken und Gefühle, Gespräche und Gebete. Sie spenden nicht billigen Trost, der Tod und Trauer nicht ernstnimmt. Und doch stehen und handeln sie im Auftrag einer Hoffnung, die über das Menschenmögliche und über den Tod hinausgeht, weil sie sich auf Gott richtet.

Was bedeutet das für Sie persönlich?

Tod und Trauer wird man wohl nicht einfach für immer erledigen können, aber es kann gelingen, damit besser zurecht zu kommen, wieder in Bewegung zu kommen, nicht wie gelähmt zu bleiben. Dazu muss man den Verstorbenen und vor allem das Schöne mit ihm nicht vergessen – im Gegenteil, die Erinnerung ist etwas Kostbares! Und für Gläubige kommt ja noch eine Hoffnung hinzu: die Toten sind einfach tot und weg, sondern sie leben, in gewisser Weise mehr als je zuvor – so glauben wir. Wir können uns mit ihnen verbinden, im Gedenken, im Gebet. Und wir brauchen es uns nicht nehmen zu lassen auf ein Wiedersehen zu hoffen – Gott sei Dank!