Ist Gott müde?
So viel Zeit muss sein. Das ist mein spontaner Impuls. Etwas spät und deshalb außer Puste bin ich auf dem Weg zu einer Arbeitssitzung in der Katholischen Familienbildungsstätte. Dort im Foyer empfängt mich eine Wäscheleine, an der gemalte Kinderbilder hängen. Ein Blatt springt mir förmlich ins Gesicht.
Darauf ein Haus mit rotem Dach und rauchendem Schornstein unter leuchtenden Sternen, Mond und Sonne. Auch eine saftig grüne Wiese mit violetten Blumen fehlt nicht. Über dieser kleinen schönen Welt steht in kraftvoller Schrift: „Die erschöpfung fon Gott“. Wow. Trotz Zeitdruck suche ich schnell mein Handy, das natürlich wieder ganz unten in der Tasche ist und mache ein Foto von dem Bild. So viel Zeit muss sein.
Was für ein wunderbares Bild, was für ein ausdrucksvolles Kunstwerk. Die Anordnung der Gestirne, die Zentrierung des Bildes durch Haus und Titel, die Diagonale von Blumen und Sonne, die Fundierung mit der Wiese in der passenden Komplementärfarbe, überhaupt die Auswahl der leuchtenden Farben …
Ich vergesse fast die Sitzung, so fasziniert bin ich. Vor allem auch von der Überschrift „Die erschöpfung fon Gott“. Was hat sich das Kind dabei gedacht? Wollte es die „Schöpfung Gottes“ malen? Auf jeden Fall hat es eine zauberhaft schöne Welt gemalt, die Gott erschaffen haben könnte. Wirklich, so könnte der Schöpfer das alles mal gewollt haben. Eine Welt der Harmonie und des Gleichgewichts. Und nun steht darüber: „Die erschöpfung fon Gott“. Eigentlich auch sehr passend, schießt es mir durch den Kopf. Wenn Gott auf seine jetzige Welt schaut – muss er dann nicht hoffnungslos müde und erschöpft sein? So wie es auch viele Menschen sind? Diese Gewalt, dieser Unfriede, diese Verwüstung … Eine Krise nach der anderen. Fragt er sich nicht traurig: Was ist bloß aus der Erde geworden? Ich wollte sie gut. Aber das Ganze ist doch völlig aus dem Ruder gelaufen.
Über die Autorin
Daniela Engelhard ist Leiterin des Forums am Dom in Osnabrück. Bei der Arbeit in dieser Einrichtung der Citypastoral kommt sie mit vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt. Von Erlebnissen und Themen, die sie bewegen, berichtet sie in ihren Blogbeiträgen.
Gewiss, das ist ein sehr menschliches Denken von Gott. Gott ist ganz anders. Er fühlt und denkt nicht wie wir Menschen. Trotzdem beschleicht mich hin und wieder die Sorge, ob nicht auch er angesichts der vielen Katastrophen von Erschöpfung heimgesucht wird. Ist seine schöpferische Kraft womöglich ermüdet? Gott ist die Quelle von Friede, Gerechtigkeit und Liebe. Sprudelt die Quelle noch?
Ja. Auch wenn ich mir weiterhin Sorgen um diese Erde und um Gott mache – den Glauben an seine nicht versiegende Quelle des Guten gebe ich nicht auf. Gottes Geduld scheint unendlich zu sein. Aber seine Gedanken des Friedens erreichen immer wieder die Herzen von Menschen. Vor allem die Herzen von Kindern, die eine Vision davon haben, wie die Welt sein könnte. Ein Haus auf einer Blumenwiese, Sonne, Mond und Sterne … eine Welt, in der alle so zusammenleben, dass keiner an Erschöpfung leiden muss. Auch Gott, der Schöpfer nicht.
Herzlichen Dank, dass Sie dieses großartige Bild und Ihre Gedanken dazu geteilt haben.
Danke Ihnen für diese freundliche Rückmeldung.
Ja, das Bild ist wirklich ein so inspirierendes Geschenk.