Jenseits von Gut und Böse
Buchproduktionen waren im Mittelalter aufwendig. Je nach Umfang waren Bücher nicht nur teuer, sondern auch unhandlich, weshalb sich kaufkräftige Auftraggeber gut überlegten, welche Schrift sie in ihrem Besitz wissen wollten. Einer der Bestseller im Mittelalter: die Apokalypse.
Apokalypse – das steht für Weltuntergang, das Jüngste Gericht und Gottes Zorn am Ende der Zeiten. Sie ist eine Art Deadline, bis zu der Zeit bleibt, Dinge zu richten und Ordnung ins Chaos zu bringen. Der Glaube daran ist tief in uns verwurzelt und wesentlich durch das Christentum geprägt. Ob Klimakatastrophe, Krieg oder Hungersnot, wir verwenden gern das Bild vom nahenden Untergang und werden nicht müde auf die Uhr zu weisen, die auf fünf vor 12 steht. Es ist noch nicht zu spät! Genau dieser Glaube an ein definitives Ende und die Hoffnung auf Veränderung bewegt viele Menschen zum Handeln und das seit knapp 2000 Jahren.
Die Apokalypse oder auch die Offenbarung des Johannes ist das letzte Buch des Neuen Testaments. Lange galt der Apostel Johannes, der Verfasser des Johannes-Evangeliums und der der Offenbarung als ein und dieselbe Person. Diese Theorie wird aber schon lange nicht mehr vertreten. Johannes, oder auch Johannes von Patmos gehört zu den Propheten unter den frühen Christen. Er verfasst seine Apokalypse als Brief und richtet sich mit Sendschreiben an die sieben Gemeinden in Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodizea. Berühmt ist die Schrift bis heute vor allem durch die Vorzeichen, die dem Weltende vorausgehen: die apokalyptischen Reiter, die sieben Posaunen, die Hure Babylon und natürlich – das Jüngste Gericht. Es sind bis heute geflügelte Worte und in bildgewaltigen Szenen auch Teil der Handschrift, die im späten 14. Jahrhundert in England entstand und heute als Corpus-Christi-Apokalypse bekannt ist.
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John de Cobham, Mitglied des Hofes und hoher Amtsträger im Diensten des Königs, gibt die Handschrift vermutlich nach 1340 in Auftrag. Die Cobhams genießen schon lange das Vertrauen der englischen Monarchen und dürfen den Krönungszeremonien nicht nur beiwohnen, sondern sogar den Baldachin tragen, unter denen der zukünftige König gesalbt und in sein Amt eingeführt wird – eine große Ehre. So nahm John vermutlich an der Krönung Edwards III. 1327 teil und stand buchstäblich in der ersten Reihe. Es dürfte auch seine Idee gewesen sein, die Apokalypse nicht nur um eine Abschrift der Paulus-Visionen zu ergänzen, sondern auch um eine Krönungsordnung – quasi eine einmalige Textzusammenstellung.
Die farbenprächtigen Bilder stammen vermutlich von zwei Buchmalern aus London. Die Bilderwelten der Offenbarung haben bis heute nichts von ihrem Bann verloren und werden immer wieder herangezogen, bis hin zum modernen Hollywoodfilm. Weltuntergänge gibt es hier viele: The Day after (1983), Armageddon (1998), Die Wolke (2006). Das Kino spielt bewusst mit den Ängsten vor dem Ende und zitiert dabei immer wieder auch – mehr oder weniger direkt – die Offenbarung des Johannes. Ein Bestseller ist sie also geblieben und vermittelt weiterhin: die Hoffnung stirbt zuletzt!