Kein Kuschelglaube

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen! Ich muss mit einer Taufe getauft werden und wie bin ich bedrängt, bis sie vollzogen ist. Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf der Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, sondern Spaltung. Denn von nun an werden fünf Menschen im gleichen Haus in Zwietracht leben: Drei werden gegen zwei stehen und zwei gegen drei; der Vater wird gegen den Sohn stehen und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen ihre Schwiegertochter, und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter.
Lukas 12,49-53
Als ich mich vor circa 18 Jahren dazu entschieden habe, Religionspädagogik zu studieren, um Gemeindereferentin zu werden, habe ich von vielen Menschen in meiner Umgebung positiven Zuspruch bekommen. In dem kleinen emsländischen Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, war es durchaus „ansehnlich“, wenn man bei der Kirche arbeitet. Es fiel mir leicht, für meinen Glauben und meine Kirche einzustehen und überzeugt von dem zu sein, was ich aus meinem Glauben heraus bewirken konnte.
Heute sieht es da oft anders aus. Wenn ich in neuen Runden erzähle, was ich beruflich mache, dann schauen mich mitunter skeptische Augen an. Manchmal folgen kritische Nachfragen, „was ich denn da genau mache?“. Der Beruf der Gemeindereferentin ist in der Stadt im Osnabrücker Land, in der ich aktuell lebe, in vielen Kontexten unbekannt. Und manchmal, wenn mal wieder eine prekäre Schlagzeile durch die Presse geht, dann ist es mir ehrlicherweise auch unangenehm, über meinen Beruf zu sprechen.
Das Evangelium fasst meine Gefühle zum Thema „Christsein Heute“ und dies zu leben, gut zusammen. Jesus sagt ganz unmissverständlich, dass es durch seine Botschaft zu Konflikten und Spaltungen kommen wird, die sogar bis in Familien hinein reichen werden. Er ruft dabei nicht zu Unfrieden oder Krieg auf, er möchte Menschen nicht um seinetwillen zu Unstimmigkeiten bewegen. Aber er verspricht denjenigen, die ihm nachfolgen, auch kein beschauliches und konfliktfreies Leben.
Konflikte um des Glaubens Willen kennen wir schon seit tausenden von Jahren in der Menschheitsgeschichte. Und je mehr auch Christsein heute nicht mehr selbstverständlich ist, je mehr wir in einer entchristlichten Gesellschaft leben, umso mehr bekommt die Nachfolge Christi wieder Entscheidungscharakter.
Hier kommentieren jede Woche Menschen aus dem Bistum Osnabrück eine Bibelstelle aus einer der aktuellen Sonntagslesungen – pointiert, modern und vor allem ganz persönlich.
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Was mir während der letzten Jahre wichtig geworden ist, ist den, der anders lebt und denkt, zu achten. Was mir sehr heilig ist, kann für den anderen wenig bedeuten. Und das ist in Ordnung. Auch in meiner Familie gibt es „Spaltung“: Eine meiner Schwestern ist aus der Kirche ausgetreten, kann mit Glauben in ihrem Alltag wenig anfangen. Grund für mich, sie zu meiden oder in einen Konflikt zu gehen? Grund für sie, sich über meinen Glauben oder meinen Beruf lustig zu machen oder es klein zu reden? Keineswegs! Wir respektieren die Entscheidung der jeweils anderen. Wir sprechen über unsere Beweggründe, überzeugt den Glauben zu leben oder sich nicht mehr damit zu befassen.
Wenn Jesus also sagt: „Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf der Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, sondern Spaltung“, dann hat er uns kein leichtes Glaubensleben versprochen, keinen Kuschelglaube, der alles einlullt und den Menschen nicht so Mensch sein lässt, wie er es möchte. Er fordert uns auf, uns in unserer Individualität wertzuschätzen, uns aneinander zu reiben, miteinander in den Austausch zu gehen. Nicht durch Krieg, Gewalt und Spott, sondern mit gegenseitiger Annahme. Nur so können wir uns selbst weiterentwickeln und tatsächlich seiner Botschaft gerecht werden. Nicht immer einfach, aber immer mit ihm an unserer Seite.
Franziska Notzon