Eine Prüfung für alle
Im Sieb bleibt, wenn man es schüttelt, der Abfall zurück; so entdeckt man den Unrat eines Menschen in seinem Denken. Der Brennofen prüft Töpferware und die Erprobung des Menschen geschieht in der Auseinandersetzung mit ihm. Den guten Boden eines Baumes bringt seine Frucht zum Vorschein; so das Wort die Gedanken des Herzens. Lobe keinen Menschen, ehe du nachgedacht hast; denn das ist die Prüfung für jeden!
Jesus Sirach 27, 4-7
Es ist inzwischen alltäglich, dass Informationen sich in Sekundenschnelle verbreiten und Meinungsbildung manchmal ebenso schnell stattfindet. Mich erinnert der Text aus dem Buch Jesus Sirach an die Notwendigkeit eines reflektierten Urteils. Die Bilder des Siebs, des Brennofens und des fruchtbaren Bodens zeigen, dass es genaues Hinschauen und die Erprobung im Dialog und in der Auseinandersetzung braucht, um eine Situation, einen Menschen usw. einschätzen zu können.
Das Bibelfenster
Hier kommentieren jede Woche Menschen aus dem Bistum Osnabrück eine Bibelstelle aus einer der aktuellen Sonntagslesungen – pointiert, modern und vor allem ganz persönlich.
Haben Sie eine Frage? Eine ganz andere Idee zum Thema? Oder möchten das Bibelfenster als kostenlosen Newsletter abonnieren?
Dann schreiben Sie uns!
An bibelfenster@bistum-os.de
Gerade in der aktuellen politischen Situation, die von Polarisierung und schnellen Urteilen geprägt ist, fordert es uns heraus: Wie bilde ich mir ein Urteil? Lasse ich mich von oberflächlichen Eindrücken oder der Stimmungsmache anderer leiten oder nehme ich mir die Zeit, genauer hinzusehen? In der Informationsgesellschaft erscheinen mir Nachrichtenmedien manchmal wie das grobmaschige Sieb – sie halten an Skandalösem und Sensationellem fest, während das Differenzierte manchmal weniger Raum erhält.
Für jetzt möchte ich die oben stehende Bibelstelle als ein Plädoyer für besonnene Urteilskraft in einer Zeit der schnellen Meinungsbildung verstehen. Ich lasse mich herausfordern, genau hinzusehen, Menschen in der Auseinandersetzung zu prüfen und nicht dem ersten Eindruck zu vertrauen. Ich lasse mir Zeit unter Bedingungen, in denen es vermeintlich vor allem auf Schnelligkeit ankommt. Ich schüttle durch, was scheinbar zur Wahrheit erhoben wird. Und baue daraus neu zusammen, was mir für jetzt wichtig sein soll.
Schüttelt man
eines Menschen Denken,
geschieht Auseinandersetzung mit ihm.
Die Prüfung für jede*n!
(nach Sir 27, 4-7)
Farina Dierker
