Liebe zur Weisheit
Die Weisheit hat ihr Haus gebaut, ihre sieben Säulen behauen. Sie hat ihr Vieh geschlachtet, ihren Wein gemischt und schon ihren Tisch gedeckt. Sie hat ihre Mägde ausgesandt und lädt ein auf der Höhe der Stadtburg: Wer unerfahren ist, kehre hier ein. Zum Unwissenden sagt sie: Kommt, esst von meinem Mahl und trinkt vom Wein, den ich mischte! Lasst ab von der Torheit, dann bleibt ihr am Leben und geht auf dem Weg der Einsicht!
Sprichwörter 9, 1-6
„Philosophie“ bedeutet „Liebe zur Weisheit“, darum hier zum biblischen Lob der Weisheit einige philosophische Gedanken:
Die Weisheit nährt uns, so das Buch der Sprichwörter. Ihre Nahrung heißt Erfahrung. Irgendetwas zu erleben – wie etwa einen Regenbogen – ist das Eine. Das Erlebte dann zu deuten, ihm einen Sinn, eine Bedeutung zu geben, ist etwas Anderes. Ein Regenbogen kann zur Erfahrung von Schönheit und Vielfalt oder auch von Trost und Hoffnung führen; eine solche Erfahrung kann den Glauben an das Gute, an einen gütigen Schöpfer stärken.
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Die Weisheit verschafft Unwissenden Einsicht, so die Lesung – nicht Kopfwissen, sondern Herzenswissen („Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“, so bekanntlich der Fuchs zum Kleinen Prinzen). Menschen mit Weisheit sind keine Besserwisser, sondern sie helfen mit ihrer Einsicht, mit ihrer Erfahrung anderen beim Leben.
Im dazugehörigen Evangelium wird Jesus, werden sein Fleisch und Blut, als Brot des Lebens beschrieben (Joh 6,51-58). Immerhin nennt Paulus Jesus Christus auch „Gottes Weisheit“ (1 Kor 1,24) – wie sich wohl der Glaube an Christus entwickelt hätte, wenn die Alte Kirche weniger auf den männlichen Logos (Wort), sondern mehr auf die weibliche Sophia (Weisheit) gesetzt hätte? Auch heute noch täte unserem Gottesbild und Glauben mehr Weibliches gut …
Martin Splett