Lieben lernen

Herz im Sand
Bild: unsplash.com, Tsunami GReen

Gerade lese ich in einem Buch von Fulbert Steffensky: „Fragmente der Hoffnung.“ Ins Auge fiel mir das Kapitel: „Was mein Bischof mich fragen sollte, wenn ich Pfarrer wäre.“ Darin unter anderem der Satz: „Sich belehren und korrigieren zu lassen, ist eine Form der Freiheit.“ Allein darüber lohnt sich nachzudenken bzw. diesen Satz einfach mal ohne sofortige Abwehr nachklingen zu lassen …

Das, was mich noch mehr angeregt hat, war die Frage: „Wo lernst du lieben, was du verkündigst?“ Steffensky schreibt nicht: Wo lernst du verkündigen? Sondern: Wo lernst du lieben, was du verkündigst?  Ich finde das eine großartige Formulierung und damit auf den Punkt gebracht, worum es geht bei meiner Arbeit als Seelsorgende: lieben und lernen, dann „verkünden“.

Wo genau geschieht das? Kommt das in meinem Leben vor? Würde mir das Wort lieben überhaupt dazu einfallen? Kommt mir das Wort lieben etwa zu nah? Wo lerne ich lieben, was ich verkündige, in all dem ungewissen Krisenhaften bei „Kirchens“, in dem Frust, in der Resignation, im Unüberschaubaren der Entwicklungen sowohl in der Politik der Kirche als auch in der allgemeinen Politik und gesellschaftlichen Veränderungen.

Genau jetzt, heute, ist das besonders gefragt; dass es um liebendes Lernen geht, denn alles andere wird wenig Bestand haben. Zum Lernen gehört tatsächlich dazu, es erst einmal nicht wirklich zu können, was man lernt, sondern Schülerin zu sein. Dafür ist ein Leben lang Zeit, ich bin nie fertig mit der Botschaft, die ich verkünde. Ich brauche zum Lernen Geduld, Durchhaltevermögen, Engagement, aber natürlich auch Lust und Laune! Und am besten noch andere, die mit mir lernen wollen.

Über die Autorin

Sr. Michaela Wachendorfer ist Exerzitienbegleiterin und lebt seit mehr als 14 Jahren auf der Insel Juist. Dort bietet sie u.a. Auszeiten an und versucht, Kirche als Gottesort lebendig und ansprechend zu gestalten. Im Bistumsblog gibt sie spirituelle Impulse, erzählt vom Leben und Arbeiten auf der Insel und von Begegnungen mit ständig wechselnden Menschen, die hier spontan Gemeinde bilden.

Wo lernst du lieben, was du verkündigst?
Wo suche ich das?

Was mir dazu einfällt, ist unterschiedlich. Ich suche es in einsamen Strandspaziergängen im Kontakt mit der rauen, gewaltigen Natur der Nordsee genauso wie im Kontakt mit den lieblichen samtenen Momenten von Windstille und Sonne. Ich suche es in der Meditation und im Beten, in der Bibel, in einer schönen Kirche oder in einer bedrückenden Notlage, wo ich jemandem beistehen muss. In Fragen nach Gott und Zweifeln lerne ich lieben und genauso in überwältigenden Glücksmomenten und im Hinhören auf die Spuren Gottes im Leben der anderen. Im Brotbrechen und in großzügiger Gastfreundschaft, in einsamer Fremdheit und Verlorenheit, in Bedürftigkeit und in freundschaftlicher Gemeinschaft. Es ist eine ganz große Spannbreite, wo man lieben lernen kann, glaube ich. Die Frage ist, ob ich dafür offen bin und ob ich es für möglich halte, dass das alles mich liebender macht, um zu verkünden.

Dann reicht übrigens genau das bisschen von der frohen Botschaft aus, das mein liebendes Herz „verstanden“ hat. Den Rest kann ich dann getrost jemand größerem überlassen!

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