Löwenmäulchen und Fake news

Löwenmäulchen
Bild: pixabay.com, Morkin

Ich liebe Löwenmäulchen – und bevor ich falsch verstanden werde: Ich meine die Blume mit diesem Namen. Und diese Liebe hält jetzt schon circa sechzig Jahre und begann in Lübeck …

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte es einen Onkel und eine Tante meiner Mutter aus Ostpreußen dorthin verschlagen – und in der Zeit, als wir wenig Geld hatten, machten wir bei ihnen im Sommer Urlaub. Ich mochte den Onkel ganz besonders – er war einfach ein gemütlicher Mensch, sagte „Marjellchen“ zu mir und drückte mir immer mal fünfzig Pfennig in die Hand. Und er zeigte mir im Hinterhof des Hauses diese Blumen und ließ sie ihr „Mäulchen“ aufreißen – ich war tief beeindruckt! Und noch heute: Wenn irgendwo Löwenmäulchen angeboten werden, als Schnittblumen oder im Topf, um sie im Garten einzupflanzen, kann ich der Versuchung nicht widerstehen.

Zettel

In diesem Frühjahr wollte ich es mal selbst mit der Anzucht auf dem Fensterbrett probieren. Aber ich musste dann schon lachen, als ich auf der Samentüte folgenden Text las: Die Blüten dieser einjährigen Gruppenpflanze erinnern an ein aufgerissenes, kleines Löwenmaul – ein Löwenmäulchen. Gleichwohl ist die für Beete und Rabatten geeignete Gruppenpflanze eine friedliche Pflanze.

Na, sehr schön! Eine friedliche Pflanze! Dann kann ich ja unbesorgt die Anzuchtschale mit den Samen auf mein Fensterbrett stellen.

Interessanterweise sah ich einige Tage später eine Dokumentation über den Süden Irlands und auch über den Killarney-Nationalpark. Dort macht sich eine Pflanze breit, die alles andere als „friedlich“ ist – Rhododendron ponticum. Um 1850 herum wurde sie von den Engländern als Zierpflanze für Parks und Gärten eingeführt – und breitet sich seitdem massiv aus. In einem der wenigen, übrig gebliebenen Eichenwälder überwuchert sie die Hänge und nimmt den einheimischen Pflanzen den Lebensraum weg. Und da ihre Blätter giftig sind, werden sie vom Wild nicht gefressen. Es ist eine invasive Pflanze – und verursacht ein ökologisches Desaster.

Über die Autorin

Andrea Schwarz ist Schriftstellerin, war lange Jahre pastorale Mitarbeiterin im Bistum Osnabrück und lebt im Emsland. Sie ist eine genaue und sensible Beobachterin ihrer Umwelt und der Menschen, denen sie begegnet. In ihren Texten versucht sie, Gott mitten im Alltag zu entdecken und Lust aufs Leben zu machen – nun erstmals auch in Form von Blogbeiträgen!

Und dann dachte ich nur: Es ist bei den Pflanzen auch nicht anders als bei den Menschen. Manche tun so, als ob sie Angst und Schrecken verbreiten wollen, „reißen ihr Maul auf“ und tragen sogar einen entsprechenden Namen, sind aber im Grunde ganz friedlich. Und andere, die eigentlich nur etwas verschönern sollten und scheinbar harmlos daher kommen, breiten sich auf einmal aus, nehmen alles in Besitz und werden zur tödlichen Gefahr.

Der erste Eindruck kann täuschen, deshalb ist es so wichtig, genau hin zu schauen. Und das gilt erst recht in einer immer komplexer werdenden Welt und bei immer ausgereifteren technischen Möglichkeiten, falsche Bilder und Nachrichten zu verbreiten.

Denn es stimmt schon: „Nur die Wahrheit wird euch frei machen!“ (nach dem Johannes-Evangelium, Kapitel 8, Vers 32) – auch wenn sie, zugegeben, nicht immer so leicht wie bei den Löwenmäulchen zu finden ist.

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