Projekt Partizipation

Kinder
Bild: AdobeStock.com, Nastya

Am 20. September wird der 70. Weltkindertag gefeiert, dieses Jahr unter dem Motto: „Mit Kinderrechten in die Zukunft“. Auch im Bistum Osnabrück wird mitgefeiert – und das nicht nur an diesem Tag: In der katholischen Kindertagesstätte St. Johannes Bohmte sind Kinderrechte Teil des Alltags. In den kommenden Wochen bekommen sie in einem neuen Projekt besondere Bedeutung.

Sieben Mädchen und zehn Jungen im Alter von drei bis sechs Jahren verbringen in der Bienengruppe der Kindertagesstätte St. Johannes Bohmte ihren Vormittag. Sie frühstücken gemeinsam und lernen spielend täglich dazu – auch darüber, dass ihre Meinung gehört wird und sie eine Mitsprachemöglichkeit haben. Das zeigt sich auch ganz nebenbei im Morgenkreis, mit dem der Vormittag startet, wenn alle Kinder da sind. Die Mädchen und Jungen setzen sich im Gruppenraum auf den Teppichboden, die Erzieherinnen nehmen sich ein kleines Sitzkissen, so sind alle auf einer Höhe und können sich gut unterhalten – zum Beispiel darüber, wo sie nach dem Frühstücken draußen spielen wollen. „In der Ritterburg!“, rufen mehrere Kinder. Sie meinen das Spielgerüst, das auf dem Kindergartengelände im Schatten steht. Guter Vorschlag, sagt Meike Schumacher dazu, denn draußen ist es an diesem Sommertag sonnig und warm. Heilpädagogin Schumacher ist eine von drei Fachkräften, die in der Bienengruppe tätig sind, die anderen beiden sind Janna Driehaus und Vivien Nagy.

zwei Erzieherinnen
Heilpädagogin Meike Schumacher (links) und Erzieherin Janna Driehaus haben das Projekt Partizipation für die Kindertagesstäte St. Johannes Bohmte entwickelt.

Schumacher und Driehaus haben zusammen ein Projekt entwickelt, das den Kita-Kindern die Bedeutung der Kinderrechte vermitteln soll. „Projekt Partizipation“ nennt es die Leiterin der Kita, Katrin Meyer. Sie freut sich, dass es im Winter umgesetzt werden kann. Angeregt durch einen Wettbewerb zum Thema 75 Jahre Grundgesetz, bei dem es um Menschenrechte ging, haben Driehaus und Schumacher ein Konzept erarbeitet, wie man Mädchen und Jungen im Kindergartenalter vermitteln kann, was Kinderrechte sind. Nach Weihnachten sollen sich die Kinder, die im zweiten Kindergartenjahr sind, gruppenübergreifend damit beschäftigen.

Wir haben Rechte!

Auf einem großen Plakat vom Verlag Don Bosco sind die Kinderrechte aufgelistet. Dazu gehören zum Beispiel das Recht auf Nahrung und Fürsorge, das Recht auf Bildung und Information, das Recht auf Schutz der Privatsphäre. „Es ist wichtig, dass die Kinder wissen: Wir haben Rechte!“, sagt Meike Schumacher, „auch schon im Kindergarten.“ Nur wenn die Kinder von ihren Rechten wissen, könnten sie lernen, sie wahrzunehmen, zum Beispiel das Recht auf Mitsprache. Es sei wichtig, die Jungen und Mädchen dafür zu sensibilisieren, dass sie ihre Meinung sagen dürfen und dass diese zählt.

Kinderrechte
Der Verlag Don Bosco bietet ein kindgerechtes Plakat mit allen Kinderrechten zum Bestellen an.

Meike Schumacher nennt ein Beispiel: Im vergangenen Herbst sei es bei der Planung des Erntedankfestes darum gegangen, ob Brot oder Brötchen gebacken werden sollen. Die Kinder konnten dann darüber abstimmen und einen kleinen Stein auf das Bild vom Brot oder auf das Bild von Brötchen legen. So war das Abstimmungsergebnis am Ende für alle gut sichtbar: Die Brötchen hatten die meisten Steine bekommen und haben gewonnen. Vor der Abstimmung wurde über das Thema gesprochen, damit auch die Unentschlossenen lernen, sich damit auseinanderzusetzen, was sie selbst wollen. Stichwort: Wie ist meine Wahrnehmung? Ist mir eine Scheibe Brot mit knuspriger Kruste lieber oder ein frisches Brötchen? Die Kinder konnten lernen, ihre Eindrücke wahrzunehmen und dann zu entscheiden. Schumacher sagt, dass Kinder, die selbstbewusst sind, meistens keine Schwierigkeit haben, sich zu entscheiden. Doch es gibt auch Kinder, bei denen die Erwachsenen vieles bestimmen und solche, die schüchtern sind und das auswählen, was ihr bester Freund nimmt.

Im Partizipationprojekt lernen die Kinder, dass sie sich informieren und dann entscheiden können. Dinge abzuwägen ist eine Fähigkeit, die sie im Leben brauchen werden. In der Kita wird dies bei einfachen Dingen umgesetzt, immer dann, wenn es möglich ist. So dürfen Kinder im Gruppenraum ihre Turnschläppchen anbehalten anstatt Hausschuhe anzuziehen, aber Straßenschuhe sind tabu. „Partizipation bedeutet nicht, dass wir keine Grenzen setzen“, sagt Janna Driehaus. So sei es natürlich nicht möglich, im Winter ohne Jacke rauszugehen – auch wenn ein Kind sich das wünscht. „Wir haben ja auch eine Fürsorgepflicht“, ergänzt Meike Schumacher. Mitbestimmung wird also da eingeübt, wo es sinnvoll und möglich ist, „im Rahmen des Entwicklungsstandes des Kindes“. So können Kinder lernen, dass ihre Wahrnehmung zählt und ihre Meinung wichtig ist.

Demokratiebildung in der Kita

Während des Projektzeitraums sollen sich die Kinder an fünf Vormittagen mit Kinderrechten befassen. Dazu gehört auch praktisches Tun. Jeder darf ein Bild von sich malen und herausheben, was das Besondere an der eigenen Persönlichkeit ist. So können die Kinder lernen, dass zwar alle verschieden sind, aber eben auch die gleichen Rechte haben. Die Kinder basteln auch eine Schatzkiste; sie fragen sich, was ihre Bedürfnisse sind und überlegen, was ihre Schätze sind. Janna Driehaus erläutert die kindgerechte Frage dazu: „Welche Dinge mag ich, welche mag ich nicht?“ Die Kinder können Fundstücke, die sie mögen, in die Kiste legen, zum Beispiel einen schönen Stein. Was in ihrer Schatzkiste liegt, ist wichtig, das stärkt ihr Selbstwertgefühl.

Weitere Infos

  • Ein Plakat mit allen Kinderrechte ist für zehn Euro erhältlich beim Verlag Don Bosco.
  • Weitere Informationen zum Weltkindertag 2024 gibt es auf der Internetseite von unicef.
  • Kinder haben unter anderem auch das Recht auf Schutz vor Gewalt und Missbrauch. Wie die Präventionsarbeit in einer Kita des Bistums funktioniert, das erfahren sie hier.
  • Mehr zum Thema Kinder und Familie im Bistum Osnabrück finden Sie hier.

In einer weiteren Einheit geht es um Privatsphäre und persönliche Würde. Privatsphäre im Kindergarten bedeutet zum Beispiel auch, dass ein Kind, dass eingenässt hat, nicht schnell im Gruppenraum umgezogen wird, sondern vor Blicken geschützt im Waschraum. „Kinder haben das Recht, dass ihr Privatleben und ihre Würde geachtet werden“, heißt es in den Kinderrechten. Die Kinder können formulieren, was sie mögen und was nicht, was ihnen vielleicht Angst macht, und dazu ein Bild malen. Beispiel: Manche Kinder möchten nicht bei der Patentante übernachten – das gilt es zu respektieren.

In weiteren Einheiten wird es um das Recht auf Lernen und Bildung gehen (Die Kinder malen Plakate zum Thema: Was kann ich schon gut, was will ich noch können?) und um das Recht auf Gesundheit, Fürsorge, Nahrung, Schlaf, Zuwendung und Schutz. In der letzten Einheit soll es dann um das Recht der Meinungsäußerung und des Gehörtwerdens gehen. Zusammen mit den Kindern sollen drei Plexiglasröhren zu Abstimmungsröhren umgestaltet werden, die dann künftig zum Einsatz kommen, für Abstimmungen, aber auch Nachbesprechungen von Ereignissen. Jedes Kind kann dann bei einer Abstimmung einen Ball in die Säule werfen. Bei der Nachbesprechung eines Ereignisses können diese bewertet werden, zum Beispiel das Martinsfest. So lernen Kinder, zu reflektieren, eine Situation im Nachhinein zu bewerten, als Grundläge für spätere Entscheidungen – Demokratiebildung von Kindesbeinen an, sozusagen.

Artikelhinweis Kirchenbote