Prävention fängt im Alltag an

Kita St Ansgar Osnabrück
In der Kita St. Ansgar wird jedes Kind mit seinen individuellen Bedürfnissen gesehen und bestärkt. Bild: Kita St Ansgar

Jedes Kind hat das Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit – seine Meinung zu sagen, seinen Willen deutlich zu machen und zu erfahren: Ich werde ernst genommen, ich kann Dinge schaffen und zwar so, wie ich das möchte. Mit diesem Wissen fängt in der Kindertagesstätte St. Ansgar in der Pfarrei St. Joseph Osnabrück die Präventionsarbeit an. Denn: Starke Kinder sind seltener von sexualisierter Gewalt betroffen.

„Deswegen ist es für uns so wichtig, Kinder im Kita-Alltag zu nichts zu drängen, keine Macht auszuüben“, erläutert Elena Haffke, Leiterin der Einrichtung. Gemeinsam mit ihrem Team betreut sie rund 80 Kinder, einige davon mit erhöhtem Förderbedarf. Sätze wie „Du isst das jetzt auf“ gibt es in der Kita St. Ansgar nicht „Wir bieten den Kindern ganz viel an und ermutigen sie auch, aber niemals über den eigenen Willen der Kinder hinweg“, sagt Haffke und fügt hinzu: „Wir wollen, dass die Kinder sich im Alltag wohlfühlen und sagen können, was sie mögen und was nicht und dass sie dann eben auch akzeptiert werden.“ Dafür werden Kleinigkeiten beachtet: Möchte das Kind genau jetzt frühstücken? Mit wem möchte es spielen? Möchte es am Stuhlkreis teilnehmen oder möchte lieber aus der Ferne zuschauen? „Das ist natürlich immer eine Gradwanderung, weil man in der Gruppe auch Kompromisse finden muss“, weiß die erfahrene Erzieherin, aber es sei eben auch sehr wichtig, denn: „Für mich sind es diese kleinen Dinge, die Kinder stark werden lassen.“

Elena Haffke
Elena Haffke, Leiterin der Kita St. Ansgar in Osnabrück

Elena Haffke ist froh und stolz, dass ihr Team der gleichen Meinung ist. Das hat sich auch bei der Präventionsschulung gezeigt, die erst einige Wochen zurückliegt. Turnusmäßig gibt es diese Schulungen in den Kindertagesstätten des Bistums Osnabrück alle zwei Jahre – geleitet vom zuständigen Personal der Kirchengemeinde, von externen Expert*innen oder von den Angestellten in der Koordinationsstelle Prävention des Bistums. „Dieses Jahr war der Präventionsbeauftragte Christian Scholüke von der Koordinationsstelle da und hat uns als Team wieder neu sensibilisiert für das Thema“, erzählt Hafke. Inhalte der Präventionsschulung sind zum Beispiel Grundlagenwissen zu angemessener Nähe und Distanz; Sensibilisierung für Situationen, die Grenzverletzungen und sexualisierte Gewalt begünstigen; Wissen über Strategien von Täterinnen und Tätern und über Anzeichen dafür, dass jemand von Missbrauch betroffen ist. Außerdem gibt es in den Schulungen Informationen zum Diözesanen Schutzprozess im Bistum Osnabrück und zu den Stellen, an die man sich im Falle eines Verdachts auf Missbrauch wenden kann.

Weitere Infos

Um Angestellte und ehrenamtlich Tätige im Bistum Osnabrück sicher im Umgang mit Fragestellungen zur Prävention von sexualisierter Gewalt zu machen, werden regelmäßig Schulungen angeboten. Für Menschen, die mit Kindern, Jugendlichen oder schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen arbeiten, schreibt die Rahmenordnung Prävention des Bistums diese Schulungen verbindlich vor. Alle anderen Beschäftigten im kirchlichen Dienst sollen regelmäßig auf die Bedeutung der Prävention gegen sexualisierte Gewalt hingewiesen werden. Das Ziel: Jede und jeder soll über das nötige Wissen und die nötige Handlungssicherheit verfügen, um Gefährdungslagen zu erkennen und angemessen reagieren zu können. Weitere Informationen dazu gibt es bei der Koordinationsstelle Prävention.

Elena Haffke findet die regelmäßigen Schulungen gut, um sich für den Alltag stärken zu lassen, denn dort berühren Themen wie Nähe und Distanz, Selbstbestimmung und Machtausübung viele Bereiche auf ganz unterschiedlichen Ebenen: „Grenzverletzungen gibt es ja nicht nur beim sexuellem Missbrauch von Kindern, sondern zum Beispiel auch bei den Kindern untereinander, wenn ein Kind ein anderes zu etwas drängt, das es nicht möchte. Oder vom Kind zu einer Erzieherin, wenn das Kind die Kollegin zum Beispiel küssen möchte und für uns aber ganz klar ist: Geküsst wird nur zuhause, nicht in der Kita.“ Dann müssen Haffke und ihre Kolleginnen wissen, wie sie auf professioneller Ebene sagen können: „Bis hierhin und nicht weiter.“

Gleichzeitig wurden sie in der Präventionsschulung aber auch bestärkt, sich offen und angstfrei mit dem Thema Sexualität in der Kita auseinander zu setzen. „Zum Beispiel beim Thema Doktorspiele: Da sollte nicht sofort Panik ausbrechen, wenn sich zum Beispiel zwei Kinder ausziehen und einander angucken, sondern man sollte genau klären: Was ist einfach kindliche Neugierde, normale kindliche Beschäftigung mit Sexualität, und wo ist die Grenze.“ Dazu müssten auch die Kinder selbst für das Thema sensibilisiert werden, zum Beispiel indem man unterschiedliche Geschlechtsteile bespricht und ihnen Namen gibt. „Viele Kinder kennen das von zuhause nicht, aber wenn man bedenkt, dass ja auch sexuelle Übergriffe im häuslichen Umfeld stattfinden, dann ist klar, dass es wichtig ist, dass die Kinder da sprachfähig sind“, erläutert Haffke. Generell bekämen sie und ihr Team positives Feedback dazu: „Die Eltern sind ja froh, dass wir an diesem aktuellen Thema dranbleiben“, sagt sie.