Reiche ins Himmelreich?

Geldscheine
Bild: unsplash.com, Jonny McKenna

Als sich Jesus wieder auf den Weg machte, lief ein Mann auf ihn zu, fiel vor ihm auf die Knie und fragte ihn: Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben? Jesus antwortete: Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer der eine Gott. Du kennst doch die Gebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter! Er erwiderte ihm: Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt. Da sah ihn Jesus an, gewann ihn lieb und sagte: Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib es den Armen und du wirst einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach! Der Mann aber war betrübt, als er das hörte, und ging traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen. Da sah Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen! Die Jünger waren über seine Worte bestürzt. Jesus aber sagte noch einmal zu ihnen: Meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen! Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt. Sie aber gerieten über alle Maßen außer sich vor Schrecken und sagten zueinander: Wer kann dann noch gerettet werden? Jesus sah sie an und sagte: Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich. Da sagte Petrus zu ihm: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Jesus antwortete: Amen, ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird das Hundertfache dafür empfangen. Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser und Brüder, Schwestern und Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben. Viele Erste werden Letzte sein und die Letzten Erste.

Einheitsübersetzung, Markus 10,17-30

 

Alle Übel dieser Welt, Krankheit und Tod, entweichen der Büchse der Pandora, die – so der griechische Göttervater Zeus – niemals geöffnet werden dürfe. Doch Pandora öffnet die Büchse und alles Schlechte ist in der Welt. „Pandora Papers“ – so werden nach dem Drama der griechischen Mythologie – die Dokumente genannt, denen zufolge Hunderte von Reichen und Mächtigen mit einem weltweiten Netzwerk von Briefkastenfirmen Steuern hinterzogen und ihren ohnehin vorhandenen Reichtum vermehrt haben. Ein Zeitungs-Kommentator zeigte sich erschüttert über das Bild einer Elite, die ungeniert den eigenen Vorteil auf Kosten derer suche, denen sie allzu oft abverlange, „den Gürtel enger zu schnallen“. Überschrift: „Moralisch verwahrloste Raffzahn-Elite.“*1

„Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt“, sagt Jesus. Auch im Matthäus Evangelium (Mt 6,24) formuliert Jesus diese klare Abgrenzung von Gier und Habsucht zu seiner Botschaft: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon!“ Wer seinen Reichtum vergöttert, auf Kosten anderer lebt, dem Gemeinwesen und den vielen Menschen schadet, die täglich um ihre Existenz kämpfen, der findet zwar Steueroasen, aber keine Hintertür, kein Schlupfloch zum Reich Gottes. „Amen, ich sage euch, sie haben ihren Lohn bereits erhalten.“ (Mt 6,16)

Die Jünger sind bestürzt über die harten Worte. „Wer kann dann noch gerettet werden?“ fragen sie. Gier, Betrug und Habsucht finden sich allerorten – in den Palästen und in den Hütten. „Wer kann dann noch gerettet werden?“ Leben nicht auch unsere westlichen Gesellschaften auf Kosten der Anderen, ja sogar zukünftiger Generationen? Alle verloren? Ich und Du?

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Der Schrecken der Jünger verdunkelt fast die frohe Botschaft der Episode. Über alles Versagen stellt Jesus die Gnade Gottes, der alle menschlichen Schwächen aufhebt, dessen Barmherzigkeit selbst dort noch wirksam wird, „wo Kraft und Verstand des Menschen am Ende sind.“*2 Jesus sagt: „Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich!“

Petrus rückt zuletzt die Frage der Nachfolge in den Mittelpunkt. Und Jesus antwortet mit einem Hinweis auf die neue Gemeinschaft der Jünger und die Gefahren und Verfolgungen, denen sie ausgesetzt sein werden. Sichtbar wird: Aller Verzicht auf Haus und Hof wird nicht um seiner selbst willen gefordert, sondern mit Blick auf den Aufbau der neuen Gemeinschaft. Deren größte Gefährdung wäre es, wenn ausgerechnet ihre leitenden und mächtigen Mitglieder, die sich selbst als Erste und die anderen als Letzte betrachten, ihre Positionen ausnutzten. Ihnen deutet Jesus eine Überraschung an: „Viele Erste werden Letzte sein und die Letzten Erste.“

Warum ausgerechnet dieser letzte Satz der Episode in der Leseordnung fehlt – diese Frage muss offen bleiben. Das Katholische Bibelwerk empfiehlt, ihn mitzulesen.

Diakon Gerrit Schulte

*1 Thomas Ludwig. In: Neue Osnabrücker Zeitung. 5. Oktober 2021

*2 Joachim Gnilka. Das Evangelium nach Markus. Evangelisch-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament (EKK). Studienausgabe. Neukirchener Theologie. Patmos Verlag. 2. Auflage. 2015. Seite 89