Rote Karte für die WM in Katar
Die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer 2022 ist wahrscheinlich die umstrittenste aller Zeiten. Schon bei der Vergabe des Turniers an den Wüstenstaat Katar vor über zehn Jahren gab es massive Kritik – jetzt ist sie aktueller denn je. Menschenrechtsverletzungen, Korruption und fehlende Sensibilität für ökologische Probleme sind nur drei der vielen Kritikpunkte. Für Fans in Deutschland bleibt vor allem die Frage: gucken oder boykottieren?
Der Präsident des katholischen Hilfswerks missio, Dirk Bingener, machte zum Start der Weltmeisterschaft deutlich, dass Fairplay nicht nach 90 Minuten und am Spielfeldrand aufhöre: Jeder Fan „sollte sich über das unfaire Spiel jenseits des Spielfeldrands informieren und sich dagegen einsetzen“, fordert er. Missio hat eigens für die WM eine Kampagne gestartet, um auf die Ausbeutung von Migrantinnen und Migranten aufmerksam zu machen und dem Gastgeberland symbolisch die Rote Karte zu zeigen. Besonders in den Fokus nimmt die Hilfsorganisation das Schicksal der in Katar tätigen meist weiblichen Haushaltshilfen. Diese müssen für einen Hungerlohn bis zu 20 Stunden am Tag arbeiten und haben kaum Möglichkeiten, sich gegen Ausbeutung und sexuelle Belästigung zu wehren.
Auch Karin Schuld zeigt in diesem Zusammenhang die rote Karte – sie ist missio-Refrentin im Bistum Osnabrück und sagt: „Ein frauenverachtendes Gesetz beschäftigt mich besonders: Eine Frau, die in Katar Opfer einer Vergewaltigung wird, läuft Gefahr, wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs angeklagt und verhaftet zu werden. Das darf nicht sein!“ Deswegen ruft sie dazu auf, eine Petition zu unterzeichnen, die an Außenministerin Annalena Baerbock übergeben werden soll: Hier geht’s zur Petition und weiteren Infos.
Auch für weitere Kritikpunkte im Zusammenhang mit der WM findet Schuld klare Worte: „Die Vergabe der WM an Katar zeigt für mich neben Korruption und Bestechlichkeit in der FIFA verschiedene Problemfelder auf: die rücksichtslose Ausbeutung von Arbeitsmigrant*innen, die Ressourcenverschwendung beim Bau der Stadien in Zeiten des Klimawandels oder die fehlende Achtung von Menschenrechten. Viele dieser Probleme existieren nicht nur in Katar, sondern weltweit, aber eben auch dort und sollten darum auch thematisiert werden.“
Termine
- „Verkauft der Fußball seine Seele? – Eine Zwischenbilanz der Fußball-WM in Katar“ heißt eine digitale Veranstaltung des LWH in Lingen am 15. Dezember. Dort spricht um 17 Uhr Christoph Strässer (MdB a.D. und ehem. Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung). Detaillierte Informationen dazu finden Sie hier.
Ähnlich sieht es auch Bischof Stephan Oster. Als Sportbischof der deutschen Bischofskonferenz wolle er den Fans, die vor Ort und in den Medien die WM verfolgen werden, kein schlechtes Gewissen einreden, sagte er kurz vor Beginn der Weltmeisterschaft: „Freude am Sport, auch an weltweiten Mega-Events, hat ihr eigenes Recht, auch wenn sie durch die extreme Kommerzialisierung gerade des Fußballs getrübt sein mag. Aber es ist trotzdem richtig, die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Katar kritisch in den Blick zu nehmen.“
Wie soll man sich nun als einfacher Fan verhalten? Einen Vorschlag macht Elsbeth Beha im Interview mit katholisch.de. Sie ist Vorsitzende des katholischen Sportverbands DJK und sie betont, dass es darum gehe, das Thema präsent zu halten und Druck zu entfalten: „Jeder Fußballbegeisterte sollte in seinem Umfeld die Thematik ansprechen – und hier nicht nur die Frage der Finanzen, sondern vor allem den Umgang mit den Menschenrechten und der freien Meinungsäußerung.“