Schläft ein Lied in allen Dingen …

Frettchen
Bild: AdobeStock.com, Theeranan

„Sag mal, was um alles in der Welt war das denn eben für ein Tier, was ich da gesegnet habe?“, fragte mich der Pfarrer leise, als wir hinter den Ministranten zur Sakristei zurückgingen. „Ich glaube, das war ein Frettchen!“, flüsterte ich zurück. „Und was ist das bitte?“, hakte er noch mal nach. „So eine Art Marder, aber mehr weiß ich auch nicht …“

Wir hatten damals in Viernheim, wie jedes Jahr, einen Tiersegnungsgottesdienst gefeiert: Die Straße vor der Kirche war gesperrt, und auf dem Platz drängten sich über 50 Hunde, in allen Größen, in allen Schattierungen, mit ihren Besitzern, drüben am Zaun stand ein Haflinger, der einer Ministrantin gehörte, eine Kutsche mit zwei Pferden war da, viele Kinder, die in Körben ihre Meerschweinchen und Hamster mitgebracht hatten, ein Junge mit einer Echse auf dem Arm, der Küster hatte einen kleinen Stall mit zwei der Pfarreihühner vor die Kirchentür gestellt, ein Mädchen wurde von einem Hundewelpen begleitet, überall wuselten die dreißig Kinder der beiden Kinderchöre – kurz, es war schon ein beeindruckendes Bild.

Über die Autorin

Andrea Schwarz ist Schriftstellerin, war lange Jahre pastorale Mitarbeiterin im Bistum Osnabrück und lebt im Emsland. Sie ist eine genaue und sensible Beobachterin ihrer Umwelt und der Menschen, denen sie begegnet. In ihren Texten versucht sie, Gott mitten im Alltag zu entdecken und Lust aufs Leben zu machen – nun erstmals auch in Form von Blogbeiträgen!

Aber was bei diesem Gottesdienst noch viel verblüffender war: Trotz dieser Ansammlung unterschiedlichster Tiere herrschte Frieden, keiner der Hunde verbiss sich in einen anderen – und keine Katze starb an Herzschlag. Auch die Pferde zuckten nur ein bisschen zusammen, als der Pfarrer sie ausgiebigst mit Weihwasser bedachte. Und der Reporter der Tageszeitung wusste gar nicht, wo er anfangen und aufhören sollte mit dem Fotografieren. Dieser Gottesdienst war eine Sternstunde in der Gemeindearbeit – aber das ist ja auch nicht schwer: Kinder und Tiere, ein wunderschöner Herbsttag und pfiffige Lieder …

Und ja, solche Momente, in denen einem richtig das Herz aufgeht, gibt es auch heute noch in den Gemeinden – allen Schlagzeilen zum Trotz! Sie erinnern mich an das Gedicht von Joseph von Eichendorff:„Schläft ein Lied in allen Dingen, die da träumen fort und fort, und die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort.“  Manchmal erklingt dieses Lied, das Lied zwischen Menschen, und das Lied zwischen Gott und mir. Es sind Augenblicke, in denen es in mir singt, ich mich in ein größeres Ganzes einschwinge, meine Melodie mit anderen zusammen klingt. Es sind Momente, in denen ich mich verzaubern lasse – und niemandem erlaube, dies zu entzaubern. Dann ist mir das Geheimnis ganz nah, weil ich mich von ihm berühren lasse. Zugegeben – manchmal nur für Sekunden, und dann ist es wieder vorbei. Aber es war.

Es können sehr leise und intime Begegnungen sein, von denen ich nie in der Öffentlichkeit erzählen würde – und manchmal geschieht es in einer Situation mit vielen Menschen. Es kann ein anscheinend vollkommen unbedeutender Moment sein, den kein anderer außer mir wahrnimmt, z.B. das Farbenspiel des Lichts auf dem Boden der Kirche – oder es kann im großen Fronleichnamsgottesdienst im Freien mit Hunderten von Teilnehmern sein. Mal ist es etwas Trauriges, was mich berührt, oder auch etwas, was mich lächeln lässt. Meine kleine Lebensmelodie findet sich plötzlich in einem größeren Ganzen, ich werde zu einem Instrument in einem Orchester, und ich darf der Grundmelodie des Lebens, der Grundmelodie Gottes in meinem Leben Raum geben.

Das sind Sternstunden meines Weges mit Gott und den Menschen – nicht machbar und nicht planbar, und doch immer wieder geschenkt.

2 Kommentare zu “Schläft ein Lied in allen Dingen …

  1. „Ich glaub an einen Gott der singt, von dem alles Leben klingt….“
    Das Lied kam mir sofort in den Sinn und viele Momente des klingens
    Liebe Grüße
    Dorothea

    1. Danke für den schönen Lied-Hinweis! Und ich glaube, von Nietzsche stammt der Satz: Ich möchte nur an einen Gott glauben, der zu tanzen versteht!
      Ihnen schöne Erdentöne und Himmelsklänge, Andrea Schwarz

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