Schuldnerberatung in der Krise

Verschütteter Kaffee auf Dokumenten
Bild: pixabay.com, stevepb

Noch gut kann sich Hermann Josef Quaing, Geschäftsführer  des Caritasverbandes für die Grafschaft Bentheim, an einen Anruf kürzlich erinnern. Da hat er einen Mann in der Leitung, der zögernd um Rat fragt. Schon im vergangenen Frühjahr muss dieser im ersten Corona-Lockdown in Kurzarbeit gehen, kann sich dann über den Sommer und Herbst kurzzeitig finanziell erholen. Aber nun steckt er seit Wochen wieder in der Kurzarbeit fest. „Und jetzt kommt er wirklich nicht mehr klar“, sagt Quaing.

Fabian Hermes kennt viele ähnliche Schicksale. Mit zwei weiteren Kollegen und einer Kollegin arbeitet er in der Schuldnerberatung im „COMPASS Diakonie Caritas Haus“ in Nordhorn und hilft Menschen, die in eine finanzielle Schieflage geraten sind. 170 Anfragen stehen in seiner Statistik für das Jahr 2019, im vergangenen Jahr gab es schon einen Anstieg auf gut 260. Und Hermes geht davon aus, dass sich die Anfragen in diesem Jahr noch deutlich erhöhen werden: „Die große Welle kommt noch. Das glauben auch Mitarbeiter in anderen Beratungsstellen und viele Experten.“ Er fürchtet vor allem, dass in den nächsten Monaten zunehmend mehr Unternehmen eine Insolvenz anmelden – und in der Folge Personal entlassen müssen.

„Wir merken die Auswirkungen der Corona-Krise immer mehr“, sagt Hermes. Er erzählt von Angestellten zum Beispiel in der Friseurbranche oder in der Gastronomie, die ihre Minijobs verloren haben. „Da kann dann plötzlich die Kreditrate, für die das Geld bisher immer gerade gereicht hat, jetzt nicht mehr gezahlt werden.“ Und nicht jeder Arbeitgeber gleicht die durch Kurzarbeit entstandene Lücke aus. „Selbst wenn dann nur 20 Prozent Einkommen fehlen, schaffen das einige Leute nicht mehr“, weiß Quaing.

Verlierer und Gewinner – die Schere wird noch weiter auseinanderklaffen

Denn die Konsequenzen der Corona-Krise treffen vor allem Männer und Frauen mit ohnehin geringem Einkommen. Die schon vorher mit jedem Cent rechnen mussten und sich kaum etwas auf ihr Sparkonto zurücklegen konnten. Die trotzdem versucht haben, ihren Alltag ohne staatliche Hilfen zu meistern. Hermes denkt dabei auch an alleinerziehende Eltern, deren Einkünfte niedrig waren und deren Zusatzverdienste jetzt vielleicht auch noch weggebrochen sind. „Corona ist da wie ein Brandbeschleuniger von Problemen, die wir vorher schon hatten.“ Er glaubt deshalb, dass die Schere zwischen „Verlierern und Gewinnern künftig noch weiter auseinanderklaffen wird.“

Natürlich sorgt nicht nur „Corona“ für finanzielle Probleme. Arbeitslosigkeit, Krankheit und Trennung sind weiterhin die Hauptursache für eine Verschuldung. Und gar nicht selten verlieren Menschen den Überblick über ihre Verbindlichkeiten: wie viel sie wem und wann zurückzahlen müssen. Fabian Hermes berichtet kopfschüttelnd, dass es dabei manchen seiner Klienten allzu leicht gemacht worden ist, in die Schuldenfalle zu tappen – wenn trotz unbezahlter Rechnungen die nächste Bestellung angenommen wird, wenn ein erneuter Ratenkauf wieder möglich ist. „Manchmal hat das auch System.“ Bei einigen jungen Menschen hat er beobachtet, dass diese „manchmal etwas unbedarft“ mit Handyverträgen und Onlinekäufen umgehen.

Hermes rät auf jeden Fall dazu, bei Problemen nicht zu lange zu warten und rasch bei einer Schuldnerberatung Hilfe zu suchen – auch wenn dieser Schritt nicht einfach ist. Je älter die Ratsuchenden sind, desto schwerer fällt nach seinen Worten ein solcher Anruf. Sie empfinden das manchmal als „persönliche Bankrotterklärung“. Das Team versucht dann, zunächst eine Prioritätenliste zu stellen und nimmt Kontakt zu Gläubigern, Inkasso-Büros und der Schufa auf. Ziel ist dabei vor allem, sich auf außergerichtliche Vergleiche zu einigen, ehe es zu einem Privatinsolvenzverfahren kommt.

Eine Hoffnung hat Fabian Hermes: dass „nach Corona“ die Aufmerksamkeit für diese Themen nicht wieder verschwindet. „Und dass unser Fokus bei den Menschen bleibt, die sonst oft nicht so wahrgenommen werden.“