Segenswünsche in die Welt tragen
Wenn man genau hinschaut, kann man uns Reisende aus Assisi immer noch erkennen. Nicht nur am Lächeln im Gesicht, den Ringen unter den Augen oder der neu erworbenen Muskelkraft, sondern auch an einem kleinen Lederarmband mit sechs kleine Holzperlen in sanft verschiedenen Farben. Jede und jeder in der Assisi-Pilgergruppe hat am ersten Abend so ein Bändchen bekommen. Dass man allerdings von jeder Farbe am Ende eine Perle am Handgelenk oder Rucksack (oder wo immer man das Band befestigen mochte) hatte, dafür musste man etwas tun …
Ich hatte anfangs eine roséfarbene, zwei hellblaue und drei gelbe Perlen, musste mich also umschauen: „Hast Du vielleicht eine grüne Perle für mich? Ich kann die eine gelbe geben“, frage ich eine Frau, die freundlich aussieht. Die ausdrückliche Aufforderung lautet, noch Unbekannte anzusprechen. „Oh, gelb wäre super! Ich hab‘ aber leider kein Grün“, meint sie. Ein kleines Mädchen zupft mich am Ärmel: „Ich hab eine weiße für dich!“ Stolz nehme ich ihre Perle, sie kriegt dafür meine rosafarbene, auch wenn ich mich dann auf die Suche nach einer neuen machen muss. Ich staune über die Kids, die absolut unerschrocken mit dieser Form der Kontaktaufnahme sind. Aber auch mein Bändchen wird schon am ersten Abend immer bunter.
So richtig schön ist es aber erst einen Tag später. Nicht, weil ich da schon alle Farben zusammen hätte, sondern weil wir im gemeinsamen Gottesdienst noch etwas bekommen, das aufgefädelt werden kann: ein kleines Tau – dieser leicht geschwungene hübsche Buchstabe, der an unser T erinnert. Das Tau ist in Assisi überall, in den Geschäften gibt es das Zeichen tausendfach zu kaufen, es hängt in jeder Pizzeria oder als Schmuckstück, an jemandem, dem man auf der Straße begegnet. Auch in unserem Pilgerbuch steckt es an vielen Stellen. Wir lernen was es mit diesem Zeichen auf sich hat: Es ist ein altes biblisches Segenszeichen. Aber warum erkennt man daran Freunde und Freundinnen von Franziskus und Klara? Franziskus hat das Tau-Zeichen gern verwendet, er zeichnete es auf Mauern, als Signatur in seine Briefe und mit der Kutte auch auf sich selbst. Wer in Franziskus‘ Basilika kommt, tritt noch heute in großes Tau ein. Wir erfahren, wer das Zeichen in Olivenholz bekommt, darf sich gesegnet und beschützt wissen – und soll diese Segenswünsche in die ganze Welt tragen. Ok, das machen wir!
Über die Autorin
Martina Kreidler-Kos ist zuständig für die Ehe- und Familienseelsorge. Natürlich liegen ihr diese Themen besonders am Herzen – aber nicht nur. Sie hat im Alltag ein wachsames Auge. Denn dort trifft sie auf große Dinge oder nur scheinbar kleine Nebensächlichkeiten.
Wieder in der Abflughalle in Perugia: Beim bunten Abend hatte die Gruppe der Franz von Assisi-Schule einen Song auf Assisi und unsere Reise zum Besten gegeben. Dieser Ohrwurm geht uns einfach nicht mehr aus dem Kopf, genauso wie unser Pilgersong. Weil unser Flieger Verspätung hat, singen wir einfach, alle die wollen, mitten zwischen Sicherheitspersonal, Snackbar und wartenden Menschen. Eine Ukulele wird ausgepackt, Rucksäcke an Rollis gelehnt und alle, die mögen singen oder tanzen mit. So macht Glaube richtig Freude. Assisi hat uns tatsächlich auf die Sprünge geholfen. Wenn ich eine Bilanz dieser Reise ziehen sollte, dann sehe ich diese fröhlichen Menschen und summe den Schluss des Assisi-Songs: „Ich sehe, ich staune, ich liebe es sehr!“
Weiterlesen? Hier geht es zum ersten Teil des Reiseberichts!