Sehen und Hören

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Bild: www.canva.com

In jener Zeit gab es auch einige Griechen unter den Pilgern, die beim Paschafest in Jerusalem Gott anbeten wollten. Diese traten an Philíppus heran, der aus Betsáida in Galiläa stammte, und baten ihn: Herr, wir möchten Jesus sehen. Philíppus ging und sagte es Andreas; Andreas und Philíppus gingen und sagten es Jesus. Jesus aber antwortete ihnen: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird. Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. Wer sein Leben liebt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben. Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren. Jetzt ist meine Seele erschüttert. Was soll ich sagen: Vater, rette mich aus dieser Stunde? Aber deshalb bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche deinen Namen! Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe ihn schon verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen. Die Menge, die dabeistand und das hörte, sagte: Es hat gedonnert. Andere sagten: Ein Engel hat zu ihm geredet. Jesus antwortete und sagte: Nicht mir galt diese Stimme, sondern euch. Jetzt wird Gericht gehalten über diese Welt; jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen werden. Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen. Das sagte er, um anzudeuten, auf welche Weise er sterben werde.

Johannes 12, 20–33

Als ich das Evangelium zum 5. Fastensonntag gelesen habe, musste ich spontan an eine unerwartete Anfrage von einem alten Kumpel denken. Der Freund ist auf der Suche nach Ideen für die Feier eines runden Geburtstags und fragte mich neulich: „Kannst du nicht für uns ein Treffen mit dem Papst in Rom einrichten, sodass wir mit ihm ein Foto machen können?“. Ich war ein bisschen baff: Nimmt er mich auf den Arm, da er mit Kirche und Glauben nichts am Hut hat oder meint er es ernst?

Vielleicht hatten die Jünger Jesus auch eine ähnliche Reaktion, als einige Griechen – wie im heutigen Evangelium berichtet – ihren Wunsch äußerten: „wir möchten Jesus sehen“. Klar, sie waren schon nach Jerusalem für das große Pascha-Fest gekommen, und daraus könnte man ableiten, sie interessierten sich wohl für den Glauben Israels, vielleicht gehörten sie zu den „Proselyten“ – also Menschen, die nicht zum Volk Gottes gehörten und zugleich fasziniert waren von dem jüdischen Glaubensweg. Jesus war allerdings damals für viele vielleicht doch auch eine sonderbare Figur, ein Magier oder Influencer, der außergewöhnliche Wunder tat.

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Ganz gleich, was ihre Motivation war: Ihr Wunsch nach dem Sehen wird in einer Art Mund-zu-Mund Propaganda direkt an Jesus herangetragen. Statt etwas zu sehen, gibt es eine komplexe Rede Jesu zur Antwort. Ihr Hören ist gefragt und wird gleich herausgefordert: „Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird“!

Was das bedeutet, illustriert Jesus mit vielen Bildern: Weizenkorn, Leben lieben und hassen, dienen, Verherrlichung und Gericht. Jesus meidet in seiner Rede theoretische und abstrakte Redeformen oder philosophische Diskurse. Im Johannesevangelium wird insgesamt klar, dass er sich als Gottes Sohn versteht, als der, den Gott aus Liebe für die Welt hingibt. Wenn Jesus vom Weizenkorn und vom Dienen spricht, bringt er konkrete Lebenserfahrungen mit seinem Leben in Verbindung.

Wie in anderen Schlüsselmomenten im Leben Jesu, so bei seiner Taufe oder bei der Verklärung auf dem Berg Tabor, wird die besondere Qualität und Eindrücklichkeit der Gottesoffenbarung mit dem Ausdruck „Eine Stimme vom Himmel“ unterstrichen. Sie richtet sich an die Leser:innen, um die Wichtigkeit des Moments hervorzuheben. Jesus ist sich gänzlich bewusst: Gottes Name wurde schon verherrlicht und wird erneut verherrlicht; diesmal durch seine Person. Mit der Kreuzigung offenbart sich der Höhepunkt der Liebe Gottes für die Menschen. Der Tod am Kreuz hat aber nicht das letzte Wort: In den jetzt nicht mehr so weit entfernten Ostertagen werden wir die Liebe Gottes für die Menschen und für die Welt hören und sehen können.

Folgende Fragen möchte ich Ihnen mitgeben:

  • Wo entdecke ich die Herrlichkeit Gottes, seine Hingabe, seine Liebe im Leben hier und heute? Wie steht es um mein Vertrauen in Gott? 
  • Inwiefern trage ich mit meiner Berufung ein klein wenig zum Ruhm Gottes bei oder wie könnte es mir besser gelingen?
  • Inwiefern gelingt es mir (wie Philíppus, der Andreas ins Boot holt) Menschen, die vom „ganz Anderen“ fasziniert sind, vom Sehen wollen zum Hören anzuregen oder zu begleiten?

Roberto Piani