Sich einmischen für eine bessere Welt

Mensch hält Globus
Bild: unsplash.com, Ben White

Ich, Paulus, ein alter Mann, jetzt auch Gefangener Christi Jesu, ich bitte dich für mein Kind Onesimus, dem ich im Gefängnis zum Vater geworden bin. Ich schicke ihn zu dir zurück, ihn, das bedeutet mein Innerstes. Ich wollte ihn bei mir behalten, damit er mir an deiner Stelle dient in den Fesseln des Evangeliums. Aber ohne deine Zustimmung wollte ich nichts tun. Deine gute Tat soll nicht erzwungen, sondern freiwillig sein. Denn vielleicht wurde er deshalb eine Weile von dir getrennt, damit du ihn für ewig zurückerhältst, nicht mehr als Sklaven, sondern als weit mehr: als geliebten Bruder. Das ist er jedenfalls für mich, um wie viel mehr dann für dich, als Mensch und auch vor dem Herrn. Wenn du also mit mir Gemeinschaft hast, nimm ihn auf wie mich!

Philemon 9b-10.12-17

 

Paulus ist in eine missliche Situation geraten und muss in einem konkreten Fall eine Lösung finden. Der Fall ist folgender: Einem begüterten Christen mit Namen Philemon ist sein Sklave mit Namen Onesimus entlaufen und sucht bei Paulus Zuflucht. Damals galt: Wenn ein Sklave entlaufen war und gefunden wurde, musste er zurückgebracht werden und hatte dann mit harten Strafen zu rechnen. Es gab eigens bestellte Sklavenfänger, die die Entlaufenen suchten und zurückbrachten. Was soll Paulus machen?

Er findet in diesem Fall folgende Lösung: Er kann unmöglich die Sklaverei abschaffen, also stellt er keine Grundsatzerörterungen an, sondern wendet sich diesem Einzelschicksal zu, weil er glaubt, hier etwas verändern zu können. Paulus versucht eine Antwort auf einer zwischenmenschlichen Ebene, die auf dem religiösen Fundament aufruht, das er im Galaterbrief beschrieben hat: „Ihr alle seid einer in Christus“ (Galater 3,28). Er bittet Philemon, seinen entlaufenen Sklaven wieder aufzunehmen, aber nicht mehr als Sklaven, sondern als einen, der mehr ist als ein Sklave, nämlich ein geliebter Bruder. Denn für Paulus ist Onesimus, der Christ geworden ist, nicht einfach ein Sklave, sondern ein geliebter Bruder.

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„Mit einer fast erpresseri­schen Herzlichkeit“ (Rolf Zerfaß) geht Paulus den Philemon an: „So wie ich bin, Paulus, ein alter Mann, nun aber auch ein Gefangener für Jesus, bitte ich dich für meinen Sohn Onesimus … Ich sende ihn dir wieder zurück und damit mein eigenes Herz … Wenn du mich nun für deinen Freund hältst, so nimm ihn auf wie mich selber.“ Paulus argumentiert und appelliert mit Sanftheit und Druck  weiter: „Darum will ich, obwohl ich in Christus volle Freiheit hätte, dir zu gebieten, was sich gebührt, doch nur bitten“. Das zeigt die Größe des Paulus, er verweigert sich nicht, sondern geht in den Konflikt hinein, bis hin zu einem ganz persönlichen Einsatz: „Wenn er dich aber geschädigt hat oder dir etwas schuldig ist, das rechne mir an. Ich, Paulus, schreibe mit eigener Hand: Ich will’s bezahlen. Ich rede gar nicht davon, dass du dich selbst mir schuldest. Aber ohne deinen Willen wollte ich nichts tun, damit deine gute Tat nicht aus Zwang, sondern freiwillig geschieht.“ Eindringlicher kann man sich wohl kaum einmischen.

Aus diesem Verhalten des Paulus leite ich für mich Folgendes ab: Oft kann ich die großen Verhältnisse nicht verändern, aber ich kann mich im konkreten Fall anders verhalten, als die Verhältnisse es tun. Ich kann mich auf meinen Glauben besinnen und mich fragen, von welchem Fundament aus ich den Fall angehen will, in den ich gerate. Sich dann einzumischen, das erfordert Mut und Zivilcourage und – wie im oben beschrieben Fall – Tapferkeit vor dem Freund und Glaubensbruder. Dazu gehört das Vertrauen, dass es nicht umsonst ist, sich einzumischen und das zu tun, was ich tun kann. Schließlich leben wir wohl alle davon, dass sich irgendwann in unserem Leben andere für uns eingemischt haben.

Pater Franz Richardt