Teilen und solidarisch leben
Jesus erzählte der Volksmenge folgendes Gleichnis: Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte. Da überlegte er bei sich selbst: Was soll ich tun? Ich habe keinen Platz, wo ich meine Ernte unterbringen könnte. Schließlich sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen. Dann werde ich zu meiner Seele sagen: Seele, nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trinke, und freue dich! Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast? So geht es einem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber bei Gott nicht reich ist.
Lukas 12,16-21
In Hebertshausen im Kreis Dachau ist etwas passiert, das ich zunächst gar nicht glauben wollte: Ein Vermieter erlässt seinen Mietparteien ab dem 1. August jeweils 100 Euro von der Monatsmiete. Hintergrund sind die steigenden Lebenshaltungs- und Energiekosten. Nochmal zur Verdeutlichung: Die Miete wird in diesen Zeiten der Krise nicht erhöht, sondern gesenkt. „Das sind Familien mit Kindern“, sagt Vermieter Richard Reischl, und fügt im TV-Interview hinzu: „Es gibt doch das schöne Wort: Wer viel hat, der kann auch viel geben.“ Reischl ist zugleich Bürgermeister der oberbayerischen Gemeinde. Er trägt also auch politische Verantwortung. Jetzt hofft er, dass auch andere private Vermieter, Kommunen, Wohnungsunternehmen seinem Beispiel folgen.
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Für mich liest sich das wie eine Antwort auf das Gleichnis, das Jesus im Lukasevangelium erzählt. Man kann die Worte Jesu durchaus als Kritik an einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung lesen, die auf immer größere „Scheunen“ setzt! Wachstum und Wohlstand um jeden Preis. Alles Denken ist auf die Sorge um irdische Güter ausgerichtet. Aber nicht, um für die Vielen das Notwendige zu schaffen, sondern weil Wenige immer mehr für sich wollen. Nach dem Motto: „Ruh dich aus, iss und trink, und freue dich.“ Gegen diese Mentalität stellt Jesus die Vergeblichkeit irdischer Sorge und irdischen Reichtums. Was zählt, so wird Jesus nicht müde zu betonen, ist das, was den Menschen vor Gott reich macht. Um Himmels willen soll der Mensch sein Leben nicht verfehlen, indem er sich in der Sorge um irdische Güter verliert.
Vermieter Richard Reischl ist davor ganz offensichtlich gefeit. Er sorgt sich um das Wohlergehen der Familien, die als Mieterinnen und Mieter in seinem Haus wohnen. Und zeigt damit auf einfache Weise, wie wenig uns die täglichen Meldungen von all den Versorgungsengpässen und Inflationsproblemen schrecken müssten, wenn wir nur wirklich lernten zu teilen und solidarisch zu leben.
Diakon Gerrit Schulte