The Land of Hope and Dreams

Der Boss tourt durch Deutschland und spielt Konzerte in Berlin, Frankfurt und Gelsenkirchen. Bei jedem Konzert wettert Bruce Springsteen gegen die US-Regierung. Vielleicht, weil er katholisch ist …?
Mehr als ein Jahr lang, von Oktober 2017 bis Dezember 2018, hat Bruce Springsteen am Broadway aus seinem Leben erzählt und gesungen, im Walter Kerr Theatre in New York. Über zweieinhalb Stunden und basierend auf seiner Autobiografie. Zum Ende der legendären Liveshow hat der Boss jeden Abend das Vaterunser gesprochen, 236 Mal. The Lord‘s Prayer vor ausverkauftem Haus, bevor er zum Schluss Born to run gesungen hat, seine Hymne auf den wilden, unabhängigen und manchmal zerbrochenen American dream.
Der mittlerweile 75-Jährige macht um die tief religiöse Grundierung seiner Weltanschauung nie einen Hehl, aber auch kein Aufheben. Der Boss ist katholisch, als einer der wenigen unter den absoluten Weltstars des Musikbusiness. Und er hat das Vaterunser am Broadway nicht im Stil der oberflächlichen God-bless-you-Floskeln all der Stars und Sternchen aufgesagt, sondern als Teil seiner Lebensgeschichte erzählt, ja gebetet. Das muss man sich erstmal trauen heutzutage, wo doch auf religiöse Bekenntnisse meistens mitleidig lächelnd bis allergisch reagiert wird.
Diese Woche spielt Springsteen mit seiner E-Street-Band in Frankfurt. Und er wird es wieder tun, obwohl US-Präsident Trump ihn als „unausstehlichen Idioten“ und „vertrocknete Backpflaume“ beschimpfte und offen droht: „Springsteen soll den Mund halten, bis er wieder im Lande ist. Dann werden wir alle sehen, wie es ihm ergeht.“ Der Boss nämlich kritisiert die US-Regierung und ihre Politik vor jedem seiner Konzerte. Er bezeichnet sie als „korrupt, inkompetent und verlogen“ und wirft ihr „Autoritarismus“ vor. Und damit alle verstehen, was er sagt, wurden die Aussagen über Amerika und seine Regierung am 11. Juni auf allen Bildschirmen im Berliner Olympiastadion ins Deutsche übersetzt. „Rock gegen rechts mit Untertiteln“, schrieb die taz dazu.
Über den Autor
Dominik Blum ist Pfarrbeauftragter in der katholischen Pfarreiengemeinschaft im Artland. Zusammen mit seiner Frau hat er vier erwachsene Kinder. Die besten Einfälle, wenn es um Gott und die Welt geht, kommen ihm im Wald mit seinem Labrador Oscar oder bei Whiskey und Rockmusik.
Woher nimmt jemand den Mut, sich so mit dem mächtigsten Mann der Welt anzulegen, der in Los Angeles mit Hilfe der Nationalgarde gegen Demonstranten vorgeht? Springsteens Tournee heißt ‚The Land of Hope and Dreams Tour‘. Dieses Land ist für ihn nicht (nur) Amerika, über das er so oft gesungen hat. Sondern – vielleicht mehr noch, je älter er wird – eine Wertegemeinschaft, die für Freiheit, Humanität und Solidarität mit den Armen und Ausgegrenzten eintritt. Das hat, so finde ich, schon eine ganze Menge mit dem Land der Hoffnung zu tun, das die Christinnen und Christen als Reich Gottes bezeichnen. „Let’s pray, lasst uns beten“, so beendet der Boss seine wütende Kritik wohl nicht zufällig.
Dass es friedlicher und rücksichtsvoller wird, hängt nicht von uns allein ab. Aber es kommt auf uns an, aufzustehen gegen Unrecht, Gewalt, Hass und Unwahrheit. In LA, Berlin und Osnabrück. Das lässt sich von Bruce Springsteen lernen.
Die Show ‚Springsteen on Broadway‘ kann immer noch auf Netflix gestreamt werden. Das Vaterunser als Einleitung zu ‚Born to run‘ ist kostenlos auch hier zu hören: https://www.youtube.com/watch?v=_KoXwPuTZic
Springsteens Kritik an der US-Regierung im Rahmen seines Konzerts in Berlin am 11.6.2025 hat z.B. ntv dokumentiert: https://www.youtube.com/watch?v=8DkELDKxim8&t=4s
Aber Springsteen hat die politischen Passagen seines Konzertes auch selbst dokumentiert und veröffentlicht: https://brucespringsteen.net/news/2025/land-of-hope-and-dreams/