Unter Wölfen

Schafe
Bild: unsplash.com, Jaka Skrlep

„Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt ist bereit, für die Schafe zu sterben. Anders ist das bei einem, der die Schafe nur für Geld hütet. Er ist kein Hirt und die Schafe gehören ihm nicht: Wenn er den Wolf kommen sieht, lässt er die Schafe im Stich und läuft weg. Und der Wolf stürzt sich auf die Schafe und jagt die Herde auseinander. Denn so ein Mensch hütet die Schafe nur für Geld und die Schafe sind ihm gleichgültig. Ich bin der gute Hirt. Ich kenne die, die zu mir gehören, und sie kennen mich. Genauso kennt mich der Vater und ich kenne ihn. Ich bin bereit, für die Schafe zu sterben. Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall kommen. Auch die muss ich führen und sie werden auf meine Stimme hören. Alle werden in einer Herde vereint sein und einen Hirten haben. Deshalb liebt mich der Vater: Denn ich bin bereit, mein Leben herzugeben, um es wieder neu zu erhalten. Niemand kann mir das Leben nehmen. Ich gebe es freiwillig her. Es steht in meiner Macht, es herzugeben. – Und genauso steht es in meiner Macht, es wieder neu zu erhalten. Das ist der Auftrag, den ich von meinem Vater bekommen habe.“

BasisBibel, Johannes 10,11-18

 

Wer sind eigentlich die Wölfe, von denen in diesem Evangelium unter anderem die Rede ist? Ehrlich gesagt, frage ich mich das zum ersten Mal. Dass Schafe durch Wölfe in Gefahr kommen können, ist nachvollziehbar. Aber wenn die Schafe ein Bild sind für Menschen, die Orientierung suchen und brauchen, wen repräsentieren dann die Wölfe? Eine bestimmte Sorte Menschen? Situationen? Aus dem Text geht es jedenfalls nicht hervor. Und dennoch, würde diese Gefahr nicht lauern, bräuchten die Schafe keinen Hirten, der sie bis aufs eigene Blut verteidigt.

Das Bibelfenster

Hier kommentieren jede Woche Menschen aus dem Bistum Osnabrück eine Bibelstelle aus einer der aktuellen Sonntagslesungen – pointiert, modern und vor allem ganz persönlich.

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Vielleicht verbirgt sich in den Wölfen all das, was sinnreiches Leben in Gefahr bringt. Das können dann Menschen sein, die uns zu Dingen verführen wollen, die nur oberflächlich glücklich machen oder die Angst vor Fremdem und Überfremdung schüren oder die im Namen von Irgendetwas eigentlich nur eigene Macht suchen und Menschen klein halten. Das können Ideale, Weltanschauungen, Parolen sein, die die Vorherrschaft nur bestimmter Personengruppen propagieren bzw. ein Mitbestimmungsrecht aller ausschließen oder die einseitige Interessen, – z.B. wirtschaftliche, wissenschaftliche, politische oder auch religiöse –, repräsentieren, die ein Füreinander und Miteinander von Menschen torpedieren. Vielleicht fallen Ihnen noch ganz andere „Wölfe“ ein, vielleicht sogar welche im Schafspelz.

Leben an sich ist zerbrechlich, so auch das Leben miteinander. Da sind in der Tat Hirten gefragt, denen wirklich etwas an den Schafen liegt, die deren Wohl im Sinn haben. Jesus versteht sich als ein solcher Hirt, als einer, der Orientierung gibt, der sich sorgt und der für mehr Leben das eigene aufs Spiel gesetzt hat. An ihm können sich alle, denen Menschen anvertraut sind, eine dicke Scheibe Leitungs- und Führungsstil abschneiden. Das betrifft jede(n) von uns, weil jeder und jedem von uns auf irgendeine Weise Menschen anvertraut sind, ob nun in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, in der Freizeitgestaltung oder auf gesellschaftlicher und politischer Ebene.

Niemand sollte unter Wölfe geraten oder dort bleiben müssen. Dazu beitragen kann, sich immer wieder und neu in Gott zu verwurzeln und aus der Verbindung mit ihm zu leben und Leben zu gestalten. Am heutigen so genannten Sonntag vom Guten Hirten sind wir mit dem Weltgebetstag um geistliche Berufungen dazu eingeladen, genau darum zu beten.

Inga Schmitt, Pastoralreferentin