Unvergessen: Rutilio Grande
Am 22. Januar wird in El Salvador der Jesuitenpater Rutilio Grande mit seinen beiden Begleitern Nelson Rutilio Lemus und Manuel Solorzano als Märtyrer seliggesprochen.
Den Besuch werde ich nie vergessen! In Vorbereitung auf den Weltjugendtag 2019 in Panama waren wir mit unserer Osnabrücker Delegation eine Woche in El Salvador. Wir haben die Spuren des Neuaufbruchs der lateinamerikanischen Kirche nach dem II. Vatikanischen Konzil und der Bischofskonferenz von Medellín studiert. Unter anderem waren wir in der Pfarrgemeinde Aguilares, wo 1972 Pater Rutilio Grande mit seinem Team von Jesuiten und Ordensfrauen eine Pastorale Kirche auf der Seite der Armen und mit den Armen praktiziert hat.
In Aguilares lebte die überwiegende Mehrheit der Menschen in bitterer Armut. Der Boden gehörte einigen wenigen Großgrundbesitzern. Pater Rutilio Grande war klar: Dieser Situation können wir nicht gleichgültig begegnen. Immer wieder predigte er: „Gott liegt nicht im Himmel weit oben in einer Hängematte, sondern er ist mitten unter uns. Für ihn ist es wichtig, ob es den Armen hier unten schlecht geht oder nicht.“
In den folgenden Jahren klagte er immer wieder Armut und Ungerechtigkeit an. Am 13. Februar 1977 demonstrierte er mit über 6.000 Teilnehmern gegen die Ausbeutung und gegen die Ausweisung eines kolumbianischen Priesters aus der Nachbarschaft. In seiner Predigt stellt er fest: „Es ist gefährlich, Christ zu sein in unserer Mitte. Es ist gefährlich, wahrhaft katholisch zu sein. Es ist faktisch illegal, echter Christ zu sein in unserer Mitte, in unserem Land.“
Diese Predigt dürfte das Todesurteil für Pater Rutilio Grande gewesen sein. Am 12. März 1977 wurde er mit zwei Begleitern, dem 70-jährigen Manuel Solorzanoals und dem 16-jährigen Nelson Rutilio Lemus, auf dem Weg zum Gottesdienst aus dem Hinterhalt von den Mitgliedern der Nationalgarde ermordet. Auftraggeber waren die Großgrundbesitzer.
Am Ort der Ermordung haben wir mit unserer Delegation gebetet und in der Kirche von Aguilares am Grab der Märtyrer die heilige Messe gefeiert. Das werde ich nicht vergessen.
Über den Autor
Theo Paul ist Domkapitular und unter anderem für die Krankenhäuser, Klöster und geistlichen Orte im Bistum Osnabrück zuständig. In seinen Blogbeiträgen greift er gerne aktuelle Themen auf.
Die Ermordung von Pater Ruitlio Grande und seinen Begleitern bewirkte bei Oscar Romero (damaliger Erzbischof von San Salvador) eine große Bekehrung. Im Volk von El Salvador sprach man vom „Wunder Rutilio“. Erzbischof Romero beschrieb einmal seine intuitive Einsicht vor dem Leichnam Pater Rutilio Grandes so: „Wenn sie ihn für das umgebracht haben, was er getan hat, dann muss ich denselben Weg gehen. Rutilio hat mir die Augen geöffnet.“
Papst Franziskus ist die Seligpreisung von Pater Rutilio Grande und schon vorher die Heiligsprechung von Oscar Romero 2018 ein großes Anliegen. Immer wieder hat er auf das Lebens- und Glaubenszeugnis dieser großen Gestalten in der lateinamerikanischen Kirche hingewiesen. Für mich werden wieder viele Begegnungen und Bilder lebendig, die ich mit unserem Aufenthalt in El Salvador verbinde. Die Seligsprechung am 22. Januar ist auch eine Ermutigung für die Erneuerung der Kirche bei uns – und natürlich in El Salvador.