Verwurzelt im Watt

Verwurzelt im Watt
Bild: privat

Manchmal möchte ich am liebsten im Watt versinken. Nur halb natürlich, nur kurz und nur bei Ebbe. Es wird einem immer mal wieder eingeschärft, im Watt nicht lang stehenzubleiben, weil man sonst festkleben könnte. Ich kann aber auch nirgendwo so gut meine Füße einsinken lassen.

Verwurzelung im Erdboden. Verbindung aufnehmen. Anhalten. Halt finden. Kurz feststecken. Alles Schlechte wegwehen lassen. Wenn es stürmisch ist um mich herum und in mir, dann ganz besonders. Wenn so eine „Landunter“-Stimmung herrscht. Dann komme ich ins Watt. Um Seele und Körper zu sortieren. Für Boden unter den Füßen, mit dem Gefühl: Da ist was/wer – und ich werde getragen. Ich persönlich glaube, dass das Gott ist.

Ich erzähle oft davon – Geschichten vom Verwurzeltsein und Haltfinden, auch wenn die Flut kommt. Das ist nun einmal mein Job. Und im Frühjahr habe ich mir ein Tattoo stechen lassen: Zwei Linien übereinander, die obere mit Wellen, die untere aus Wattbodenriffeln. Darin steht das Wort „Landunter“ in Lautschrift. Das ist mein Lieblingslied von Herbert Grönemeyer. Es klingt wie ein Psalm. In der oberen Linie steht „Ps 7,11“: ein Psalm, ein Bibel-Vers über das Vertrauen auf Gott. Das ist, bei allem Zweifeln und Ringen, mein Boden, auf dem ich stehe und weiterlaufe. Worin ich auch mal versinken kann.

Über die Autorin

Katie Westphal ist Pastoralassistentin. Sie schreibt Texte über Lebens- und Alltagsfragen und ist immer auf der Suche nach der richtigen Hintergrundmusik. Außerdem erzählt sie gern davon, wie es ist, Christin und Feministin zu sein: Eine gute Kombination, wie sie findet.

Das heißt natürlich nicht, dass ich ohne Wattführerin ins Watt laufen würde. Oder glaube, bei auflaufend Wasser losziehen zu müssen. Ich bin ja nicht Mose. Stichworte Eigenverantwortung, Realismus und so. Aber es sagt mir, dass ich auch steckenbleiben darf und trotzdem nicht umfalle.

Ich nehme das freilich nicht immer ernst. Ich vergesse das oft, wirklich. Manchmal glaube ich mir selbst nicht. Das ist ja auch bisweilen schwer. Einmal habe ich Leuten von meinem Psalmvers erzählt in einer Situation, in der ich dachte, das sei angebracht und denen könnte ich es sagen. Ich hatte das Gefühl, die glauben mir nicht.

Mein Schutz ist Sache Gottes.

Psalm 7, Vers 11

Dieser Satz ist so groß, schön, beruhigend und herausfordernd (man muss ihn ernst nehmen und darf nicht naiv drauflos stapfen) wie das Watt. Dann ist es auch in Ordnung, es nicht immer sehen zu können. Der Witz am Watt ist nämlich: Es ist immer da. Auch bei Flut. Auch wenn ich es nicht wahrnehme. Und es kommt verlässlich und unendlich oft wieder zum Vorschein. Gott sei Dank.

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