Vom Hören und Sinn erkennen
In jener Zeit ging ein Schriftgelehrter zu Jesus hin und fragte ihn: Welches Gebot ist das erste von allen? Jesus antwortete: Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft. Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden. Da sagte der Schriftgelehrte zu ihm: Sehr gut, Meister! Ganz richtig hast du gesagt: Er allein ist der Herr und es gibt keinen anderen außer ihm und ihn mit ganzem Herzen, ganzem Verstand und ganzer Kraft zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst, ist weit mehr als alle Brandopfer und anderen Opfer. Jesus sah, dass er mit Verständnis geantwortet hatte, und sagte zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und keiner wagte mehr, Jesus eine Frage zu stellen.
Evangelium nach Markus 12,28b-34 (siehe dazu auch Deuteronomium 6,1-6)
Hören – horchen – gehorchen
„Höre Israel!“ so beginnt die Einleitung in die Gabe des Gesetzes, von der das biblische Buch Deuteronomium wie auch das Evangelium berichten. Bevor es um die Befolgung der Weisungen Gottes geht, geht es darum, diese Weisungen genau zu hören und zu verstehen. Aus dem Hören, aus dem „Horchen“ folgt dann das Gehorchen.
Wenn ein Kind sich nicht so verhält, wie die Mutter das möchte, sagt sie manchmal: „Kannst du nicht hören?!“ Offensichtlich hängen Hören und Tun des Gehörten innerlich eng zusammen. In der Auseinandersetzung mit den Pharisäern sagt Jesus einmal: „Deshalb rede ich zu ihnen in Gleichnissen, weil sie sehen und doch nicht sehen und hören und doch nicht hören und nicht verstehen.“ (Matthäus 13.13) und: „Und Jesus sprach: Wer Ohren hat zum Hören, der höre!“ (Markus 4,9).
Deswegen fordert Jesus dazu auf, richtig zu hören, die Gebote und den Sinn der Gebote zu erkennen und zu verstehen und schließlich sie ins Leben umzusetzen. Und das soll keine schwere Last sein, sondern Freude machen. „Die Befehle des HERRN sind gerade, sie erfüllen das Herz mit Freude. Das Gebot des HERRN ist rein, es erleuchtet die Augen.“ (Psalm 19,9). „Dient dem HERRN mit Freude!“ (Ps 100,2). „Selig der Mann, der sein Gefallen hat an der Weisung des Herrn“ (Psalm 1,2). Viele Bibelübersetzungen (Luther, Elberfelder, Züricher) sagen deshalb: „der Lust hat am Gesetz des Herrn“
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Die Sprache weiß um diese Zusammenhänge: Das englische „to listen“ hängt mit dem Wort „Lust“ zusammen. Auch das alemannische „Losen“ – das im Altbayerischen noch benutzt wird – ist vom gleichen Wortstamm wie „Lust“.
Oft verbindet sich mit dem Wort „Gebot“ das Gefühl von Einengung und Reglementierung. Im biblischen Sinn aber geht es um die Weitung des Herzens, um das Aufatmen im Wissen, auf dem richtigen Weg zu sein. Das rechte Hören führt dazu, die Konsequenzen aus der Liebe Gottes uns, sprich die Weisungen Gottes, gerne erfüllen zu wollen.
Pater Franz Richardt