Wenn Warten sich lohnt

Adventskalender
Bild: unsplash.com, Markus Spiske

„Brüder und Schwestern, haltet geduldig aus bis zur Ankunft des Herrn! Auch der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde, er wartet geduldig, bis im Herbst und im Frühjahr der Regen fällt. Ebenso geduldig sollt auch ihr sein. Macht euer Herz stark, denn die Ankunft des Herrn steht nahe bevor.“

Jakobusbrief 5, 7-8

 

Die Ankunft des Herrn steht nahe bevor??? Seit mehr als 2000 Jahren warten wir Christen nun darauf, dass der Herr wieder kommt. Über 2000 Jahre! Erstaunlich, dabei scheint es doch so, dass heute kaum noch jemand auf etwas warten kann. Und damit meine ich nicht die aufgeregten Kleinkinder, die es nicht erwarten können, dass endlich das größte Kläppchen am Adventskalender geöffnet werden darf. Beim Arztbesuch im Wartezimmer erlebe ich immer wieder Leute, die sich tierisch aufregen, wenn sie warten müssen – sogar Leute, die stationär im Krankenhaus sind und doch eh nichts anderes vorhaben. Oder wenn man sich verabredet hat: Statt mal fünf Minuten auf den anderen zu warten, wird gleich das Handy gezückt und gefragt, wo der andere bleibt. Und dann erst die modernen Kommunikationsmittel: Wehe, man sieht, dass eine Nachricht gelesen wurde, aber eine Antwort ist nicht umgehend da!

Geduld ist eine Tugend – eine, die die Gesellschaft größtenteils vergessen oder verlernt hat … Und trotzdem warten wir seit mehr als 2000 Jahren darauf, dass unser Herrgott wieder kommt. Ist das nicht unglaublich?

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Ich weiß nicht wirklich, warum das so ist, aber ich vermute, es liegt am Inhalt! Das, worauf wir warten: das Reich Gottes, also eine Welt, in der Ungerechtigkeiten aufgehoben sind, in der es Hoffnung gibt, für die Armen, Witwen und Waisen. Um es mit einem Vers aus dem Evangelium zu sagen: „Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet.“ (Matthäus 11,5). Diese Hoffnung, diese Vision, diese Erwartung einer besseren Welt ist so stark und wichtig, dass sich das Warten lohnt! Das ist es wert, lange – seeeeehr lange – darauf zu warten. Der Fokus liegt nicht auf der Zeit des Wartens, sondern auf dem Ziel, das ersehnt wird. Und wir gestalten unser Warten sogar aktiv! Nicht nur das adventliche Warten mit Adventskranz und Adventskalender, sondern das allgemeine Warten – jederzeit. Wir sitzen nicht ungeduldig da und legen die Hände in den Schoß, um dann den Herrn die Welt retten zu lassen, sondern wir Christen versuchen schon hier und jetzt zu verbessern und vom Reich Gottes zu verwirklichen, was uns möglich ist. Vielleicht ist es das, was uns auch noch nach 2000 Jahren weiter warten lässt …

Vielleicht sollten wir uns das auch als Vorbild für anderes Warten nehmen: Wenn ich jemanden erwarte, nicht gleich meckern und fragen, wo er bleibt, sondern aktiv überlegen, was ich demjenigen vielleicht Nettes sagen oder erzählen möchte. Oder beim Arzt nicht nur stänkern, sondern mal dankbar sein dafür, dass es jemanden gibt, der mir helfen wird und überlegen, wie ich selbst seine Arbeit unterstützen kann. Oder bei Nachrichten, die noch nicht beantwortet wurden, nicht nur an sich denken, sondern dem anderen zugestehen, dass er oder sie auch mal Zeit für Anderes braucht …

Pastoralreferentin Eva Schumacher