Wie die Liebe hält – auch über Jahrzehnte
Blauer Himmel, ein Traum von einem weißen Kleid und dann die feierlichen Worte: „Ich will dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens“. Das Hochzeitspaar schaut sich verliebt in die Augen, bei der Schwiegermutter kullern ein paar Tränen – Happy End! So sieht sie aus, die idyllische Hochzeit, bekannt aus romantischen Filmen und Büchern. An dieser Stelle endet die Geschichte meist – was danach kommt, will ja auch eigentlich keiner mehr so genau wissen …
Die Wahrheit ist: Partnerschaft ist eine tägliche und lebenslange Herausforderung! In Deutschland wurden 2021 rund 142 000 Ehen geschieden. Dem gegenüber stehen 357 000 neu geschlossene Ehen. Das Statistische Bundesamt hat berechnet, dass die 2021 geschiedenen Ehen im Durchschnitt etwa 14,5 Ehejahre bestanden hatten – keine rosigen Aussichten für die ewige Liebe.
Was ist wichtig, damit Liebe und Partnerschaft über Jahrzehnte bestehen bleiben? Welche Herausforderungen gibt es und wie lassen sie sich meistern? Und: Was hat Gott damit zu tun? Antworten gibt es hier im Interview mit Diplom-Psychologin Katja Schwerdt, Leiterin der Ehe-, Familien-, Lebens- und Erziehungsberatung im Meppen.
Frau Schwerdt, was ist das Wichtigste, damit die Liebe ewig hält?
Viele Paare, die lange glücklich zusammenleben, sind nicht nur Liebespaar, sondern pflegen auch eine tiefe Freundschaft. Sie leben einen Alltag miteinander, der von Respekt, Anerkennung und Wertschätzung des anderen geprägt ist. Der Alltag dieser Paare ist gekennzeichnet von vielen kleinen Zeichen der Aufmerksamkeit, die aus meiner Erfahrung sehr viel wichtiger sind, als spektakuläre gemeinsame Erlebnisse wie große Urlaube oder ähnliches. Es geht dabei eher darum, dass Bitte und Danke gesagt wird, dass das Gegenüber bemerkt, wenn sich der andere Mühe gegeben hat, mir eine Freude zu machen. Dass er ihr beispielsweise die Tür aufhält, oder sie morgens als erstes seinen Lieblingstee kocht. Das ist etwas, das den Paaren, die bei uns in die Beratung kommen, häufig verloren gegangen ist – diese Achtsamkeit im Alltag, da möglichst positiv miteinander umzugehen. Aber diese Kleinigkeiten sind ganz wichtig, weil sie dafür sorgen, dass das Gefühlskonto im Plus bleibt und das Paar einen guten Schutz hat, wenn schwierigere Zeiten kommen. Auch wichtig: Sich wirklich für die Welt des anderen interessieren, zuhören, nachfragen. Ich finde in dem Zusammenhang die Vorstellung von einer „Partnerlandkarte“ sehr schön, also: Was bewegt dich gerade? Worauf freust du dich? Was macht dir Sorgen? Was hörst du für Musik? Was isst du gerne? Das verändert sich natürlich im Laufe eines Lebens, da muss man dranbleiben, um über Jahre und Jahrzehnte miteinander verbunden zu sein. Wenn ein Paar über viele Jahre zusammen ist, dann hat es übrigens auch wirklich etwas geleistet, da kann man stolz drauf sein als Paar – Liebe ist etwas, das wächst und an dem beide auch immer arbeiten müssen.
Auszeit für Paare
Die Beziehungspastoral im Bistum Osnabrück bietet im kommenden Jahr Kurse für Paare an:
9.-11.2.2024 im Kolping-Bildungshaus Salzbergen: „Eltern werden, Liebende bleiben“ – Ein Wochenende für junge Familien inklusive Kinderbetreuung
23.-25.2.2024 im Jugendkloster Ahmsen: „Der Mensch wird am Du zum Ich – Von der Kunst, als Paar zu leben“
Bei Interesse melden Sie sich gern schon jetzt bei Inge Zumsande, Telefon: 0541 318-206 oder E-Mail: i.zumsande@bistum-os.de
Was ist, wenn zur trauten Zweisamkeit Kinder dazu kommen?
Das ist natürlich für jede Beziehung eine riesen Veränderung: Das Paar hat weniger Zeit füreinander, stetiger Schlafmangel kommt hinzu und … Aus vielen Studien wissen wir heute: Das erste Kind ist ein häufiger Trennungsgrund, weil es die Paarbeziehung nachhaltig verändert. Um in dem Bild der Partnerlandkarte zu bleiben: Diese muss gerade jetzt aktualisiert werden! Die Frau ist jetzt auch Mutter und hat vielleicht andere Prioritäten, der Mann fühlt sich aufgrund der ersten engen Bindung zwischen Mutter und Kind manchmal ausgeschlossen. Dann müssen Paare wirklich vom anderen wissen wollen: Was verändert sich für dich, was brauchst du jetzt und wie können wir das gemeinsam lösen. Gerade jungen Eltern sagen wir in der Beratungsstelle auch: Es geht jetzt ein bisschen darum, durchzuhalten, gnädig zu sein, wenn die Zündschnur beim Partner mal kurz ist – es kommen auch wieder bessere Zeiten.
Was tun bei Krisen in der Beziehung?
Erstmal ist wichtig, zu wissen: Es gibt keine andauernde Verliebtheit. Das Kribbeln im Bauch wird weniger werden, weil man irgendwann versteht: Der andere hat auch Macken. Zu erwarten, dass der andere mich dauerhaft glücklich machen muss, das wird nicht funktionieren. Irgendwann sind die Schmetterlinge weg, aber es kann dann etwas Anderes entstehen, ein gemeinsames Wir – das muss gefüllt werden, indem man immer wieder neu bespricht: Was brauchst du, was brauche ich und wie passt das für uns zusammen. Natürlich können Paare, die viel voneinander wissen, viel fragen und sich viel erzählen, auch Krisen besser bewältigen, weil sie ein gutes Handwerkszeug im Miteinander haben. An Krisen kommen wir nicht vorbei – Kinder zu bekommen, sich voneinander zu entfernen, krank zu werden, älter zu werden, in Rente zu gehen. Wie ein Paar diese Dinge meistert, hängt davon ab, was es vorher schon in die Beziehung investiert hat, wie gut es miteinander in Kontakt ist und die Partnerlandkarte des anderen kennt. Natürlich kann man dafür auch Hilfe in Anspruch nehmen.
Wann sollte man zur Paarberatung gehen?
Immer dann, wenn einer von beiden das Gefühl hat, das könnte hilfreich sein – gerne auch vorbeugend! Wenn sich erste Anzeichen für eine ernste Krise häufen, wenn man nicht mehr ins Gespräch kommt oder sich nicht mehr auf den anderen freut zum Beispiel. Zum Glück ist Paarberatung inzwischen salonfähig geworden, aber trotzdem kommen Paare leider oft zu spät – wenn einer sich innerlich schon komplett verabschiedet hat von der Beziehung, dann wird es schwierig. Wir können in der Beratung Brücken bauen, Räume schaffen für Begegnung und Austausch. Wir können übersetzen und Impulse geben, aber die Beziehung retten muss das Paar selber und dafür braucht es eine gemeinsame Basis.
Beratungsstellen im Bistum Osnabrück
Mit zehn Beratungsstellen im Bistum Osnabrück steht die Ehe-, Familien-, Lebens- und Erziehungsberatung in schwierigen Lebenslagen zur Verfügung. Egal ob es um persönliche, partnerschaftliche, familiäre oder andere Anliegen oder Krisen geht. Die Beratungsstellen arbeiten vertraulich, kostenlos und unabhängig von Nationalität, Familienstand, Religion und sexueller Orientierung. Hier gibt es weitere Infos dazu.
Ist streiten gut oder schlecht?
Streit ist total wichtig, denn dabei erfährt man Grenzen – eigene und die des anderen. Beim Streit geht es ja auch darum, in Kontakt zu sein, etwas auszuhandeln. Das ist eine wichtige soziale Fähigkeit. Natürlich sollte man darauf achten, wie man streitet: dass es nicht darum geht, den anderen zu vernichten, sondern darum, dem anderen auch zuzuhören und konstruktiv nach Lösungen zu suchen. Und von der Paar-Ebene weg auf die Eltern-Ebene gedacht: Es ist auch sehr wichtig, dass Kinder mitbekommen, dass es auch mal Streit gibt und sie konstruktive Wege vorgelebt bekommen, sich über unterschiedliche Meinungen auszutauschen. Wenn ein Paar bei mir in der Beratung sitzt und behauptet, sich nie zu streiten, dann bin ich immer ein wenig skeptisch. Häufig denken diese Paare nämlich: „Wenn wir uns viel streiten, ist das ein Zeichen dafür, dass wir uns gar nicht mehr mögen“. Ich denke jedoch, wenn Paare sich nicht mehr streiten und über Sachen diskutieren, dann könnte das auch ein Zeichen dafür sein, dass sie einander egal geworden sind. Im Übrigen ist das Gegenteil von Liebe nicht die Auseinandersetzung, Wut oder gar Hass, sondern die Gleichgültigkeit.
Für Christinnen und Christen ist die Ehe ein Sakrament, dass die Eheleute einander spenden, im Vertrauen, dass Gott mit in diesem Bund ist. Kann der Glaube Paaren im Alltag und in Krisen helfen?
Ich denke schon, denn im Letzten geht es auch darum, dass wir als Mensch am Ende nicht allein sein wollen und die Idee, dass da immer jemand ist, der mich hält – wenn nicht der Partner, dann Gott – das kann unglaublich entlasten. Außerdem ist ein gemeinsamer Glaube auch etwas Verbindendes, was trägt und schützt und Hoffnung gibt.