Wir alle sind gesandt!

Wir alle sind gesandt!
Bild: unsplash.com, Jenelle Ball

In jener Zeit suchte der Herr zweiundsiebzig andere aus und sandte sie zu zweit vor sich her in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte. Er sagte zu ihnen: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden! Geht! Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe! Grüßt niemanden auf dem Weg! Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als Erstes: Friede diesem Haus! Und wenn dort ein Sohn des Friedens wohnt, wird euer Friede auf ihm ruhen; andernfalls wird er zu euch zurückkehren. Bleibt in diesem Haus, esst und trinkt, was man euch anbietet; denn wer arbeitet, ist seines Lohnes wert. Zieht nicht von einem Haus in ein anderes! Wenn ihr in eine Stadt kommt und man euch aufnimmt, so esst, was man euch vorsetzt. Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt ihnen: Das Reich Gottes ist euch nahe! Wenn ihr aber in eine Stadt kommt, in der man euch nicht aufnimmt, dann geht auf die Straße hinaus und ruft: Selbst den Staub eurer Stadt, der an unseren Füßen klebt, lassen wir euch zurück; doch das sollt ihr wissen: Das Reich Gottes ist nahe. Ich sage euch: Sodom wird es an jenem Tag erträglicher ergehen als dieser Stadt. Die Zweiundsiebzig kehrten zurück und sagten voller Freude: Herr, sogar die Dämonen sind uns in deinem Namen untertan. Da sagte er zu ihnen: Ich sah den Satan wie einen Blitz aus dem Himmel fallen. Siehe, ich habe euch die Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten und über die ganze Macht des Feindes. Nichts wird euch schaden können. Doch freut euch nicht darüber, dass euch die Geister gehorchen, sondern freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind!

Lukas 10, 1–12.17–20

Im Evangelium begegnen wir einem wunderschönen und zugleich kraftvollen Moment: Die Jünger kehren voller Freude von ihrer Sendung zurück. Sie sind begeistert und erstaunt über die Wunder, die sie im Namen Jesu vollbringen konnten. Doch der Herr lenkt ihre Freude in eine tiefere Richtung. Er sagt ihnen, sie sollen sich nicht nur darüber freuen, was sie erleben durften, sondern darüber, dass ihre Namen im Himmel geschrieben stehen. Und was bedeutet das?

Wenn Jesus seine Jünger aussendet, geschieht etwas Bedeutsames: Er behält seine Vollmacht nicht für sich, sondern teilt sie mit anderen. Er sendet sie in die Dörfer und Städte, in die er selbst gehen wollte. Diese Geste ist mehr als eine missionarische Strategie – sie offenbart ein grundlegendes theologisches Prinzip: das Prinzip der Subsidiarität. Das heißt: Aufgaben sollen von denen übernommen werden, die ihnen am nächsten stehen – auf der niedrigsten, verantwortlichen Ebene. Jesus zentralisiert seine Mission nicht – er vertraut sie anderen an. Jeder Ort, zu dem die Jünger gesandt werden, ist ein Ort, den der Herr selbst besuchen will. Sie gehen nicht in ihrem eigenen Namen – sie tragen seine Gegenwart. Und genau das gilt auch für uns.

Wenn wir in ein neues Umfeld treten – in eine andere Stadt, zu einer Familie, in eine konkrete Dienstsituation –, handeln wir nicht einfach aus eigener Initiative. Wir gehen, weil der Herr selbst dort sein möchte. Wir gehen nicht, um uns selbst in Szene zu setzen, sondern um Frieden zu bringen, Wunden zu heilen, und die frohe Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden. Unser Dienst ist kein Auftritt, kein Programm, keine Leistungsschau. Er ist Teilhabe am Auftrag Jesu selbst. Wir sprechen nicht, um unseren Namen groß zu machen, sondern um auf das Reich Gottes hinzuweisen. So wird Kirche lebendig – nicht nur als Institution, sondern als lebendiger Leib von Gesandten, die hinausgehen, um Christus durch Worte und Taten sichtbar zu machen.

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Hier kommentieren jede Woche Menschen aus dem Bistum Osnabrück eine Bibelstelle aus einer der aktuellen Sonntagslesungen – pointiert, modern und vor allem ganz persönlich.

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Franz von Assisi hörte diese Evangelienstelle in einer Zeit des persönlichen Umbruchs. Er wusste nicht, welchen Weg er gehen sollte. Doch als er die Aussendung der Jünger hörte, wurde sein Herz bewegt. Und er antwortete: „Das ist es, was ich wünsche, das ist es, was ich suche, das ist es, was ich mit ganzem Herzen zu tun begehre.“ Er legte ein einfaches Gewand aus grobem Stoff an, gürtete sich mit einer Schnur und ging – zwei und zwei, wie der Herr es gesagt hatte. Für ihn war klar: Die Frohe Botschaft gehört nicht nur den Offiziellen, sondern allen, die ihr ganzes Herz dem Herrn schenken.

Vor Kurzem ging ich mit meinem Freund und Mitbruder Andreas ein Stück des Camino de Santiago. Unterwegs begegneten wir Pilgern aus sechs verschiedenen Ländern. Obwohl wir uns zunächst nicht kannten, entstand eine tiefe Verbundenheit. An einem Abend erzählte eine junge Frau aus Argentinien von ihrer Erfahrung. Sie war allein gestartet – unsicher, suchend. Doch im Laufe des Weges traf sie auf Weggefährten. Sie lachten, schwiegen, beteten gemeinsam. Und sie sagte: „Es war wie auf dem Weg nach Emmaus“ – wie die beiden Jünger, die unterwegs einen unbekannten Begleiter trafen, der ihnen das Herz öffnete und den Sinn offenbarte. Als sie sprach, war ich tief bewegt. Ich hatte das Gefühl: Sie verkündet das Evangelium – ganz ohne Amt, ganz ohne Predigt. Sie öffnete das Herz für das Wort Gottes. Es war ein Gänsehautmoment. Und ich begriff: Hier entsteht Kirche– nicht organisiert, nicht geplant, sondern frei, schlicht, lebendig.

Das ist das Herzstück kirchlicher Sendung: Wir alle sind gesandt. Nicht alle sind Priester oder Ordensleute – aber jede und jeder Getaufte ist gerufen, Zeuge zu sein, Frieden zu bringen, das Gute zu tun, das Evangelium zu leben. Es braucht keine offizielle Beauftragung, um die Frohe Botschaft zu verkünden. Das eigene Leben kann zur Predigt werden. Und wir tun das nicht, um größer oder besser zu erscheinen. Wir tun es, damit der Herr groß erscheint. Wie die Jünger, die freudig zurückkehren, ist unser Ziel nicht der persönliche Erfolg, sondern die stille, tiefe Freude: „Freut euch nicht darüber, dass euch die Geister gehorchen. Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind“ (Lk 10,20).

Gehen wir also weiter – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn.
Tragen wir Frieden.
Tun wir Gutes.
Sprechen wir von der Hoffnung, die in uns lebt.

Denn immer, wenn das geschieht, wird Kirche geboren –
nicht aus Stein, sondern aus Leben,
nicht zur Ehre von Menschen, sondern zur Ehre des Herrn.

Und ja: Unsere Namen sind im Himmel geschrieben.

Nijil Chiramal ofm