Zeit der neuen Entdeckungen

Große Pläne hatte ich für dieses Jahr: eine Reise nach Schweden, die ich schon zu meinem Silbernen Bischofs-Jubiläum geschenkt bekommen habe – sie war wegen meiner Erkrankung schon einmal verschoben –, eine Reise mit Freunden nach Italien als Sommerurlaub an einem vertrauten Ort in Latium, und eine Reise nach Griechenland auf den Spuren des Apostels Paulus mit einer Pilgergruppe. Dabei spreche ich noch gar nicht von der großen Wallfahrt nach Telgte oder dem Libori-Fest in Paderborn, worauf ich mich in jedem Jahr freue.

Das alles findet nun aus bekannten Gründen so nicht statt. Es bleibt mir eine kurze Zeit im Sauerland. Manchmal bin ich tatsächlich traurig, dass das alles nicht möglich ist. Auch mein wunderbarer Garten ersetzt das nicht, weil er mich nicht wirklich aus meinem Alltag herausbringt.

Mir ist klar, dass es in diesen Wochen unendlich vielen Menschen ähnlich ergeht. Ich möchte mich aber diesen traurigen Gedanken trotzdem nicht einfach hingeben und mich von ihnen herunterziehen lassen, mich nicht niederdrücken (de-primieren) lassen.

Und da ist manches wieder zu entdecken. Beim Nordic Walking etwa die wunderbare Gegend südlich von Osnabrück, an der ich jede Woche neue Seiten entdecke, oder meine Heimat bei Paderborn und das schöne Sauerland, in dem ich früher als Weihbischof eher dienstlich unterwegs war. Neue Wahrnehmungen stellen sich ein in offenen Kirchen, im Blick auf den Altar und die Bilder, neue „Fotoblicke“ auf bisher eher unbekannte Kleinstädte. Manchmal ertappe ich mich, dass ich den golden leuchtenden Wetterhahn auf dem Domturm von meinem Arbeitszimmer aus fotografiere oder im Garten die wunderbaren Hortensien, die mir gar nicht mehr auffielen. Und selbst durch lange beiseite gelegte Bücher kann ich aus dem Alltag in eine andere Welt entschwinden. Bewusst habe ich mir Tage gesetzt, an denen ich Freunde besuche, nicht um mit ihnen etwas zu unternehmen, sondern einfach nur beieinander zu sitzen und Erinnerungen und Erfahrungen auszutauschen. Auch aus unserem ,Betriebsausflug‘ des Bischofshauses wurde ein gemütliches Kaffeetrinken in dem Garten einer Mitarbeiterin, der uns allen bis dahin noch völlig fremd war.

Ja, diese Zeit hat viel Getrenntes und Ernüchterndes, sie hat viel Enttäuschendes und Trauriges, aber sie ist auch eine Zeit der Ent-deckungen neuer Orte und neuer Gelegenheiten des Aufatmens. Es gibt viele Möglichkeiten, dem trübsinnigen Zu-Hause-zurückgeblieben-Sein zu entgehen und mit allen Sinnen sich der Schönheit und Neuheit der kleinen Ziele zu erfreuen. „Wer sagt denn, dass in dem undurchsichtigen Sack Zukunft nicht auch ein Entzücken steckt?“ (Marie Luise Kaschnitz)