Zu Besuch in einem gespaltenen Land

Gedenkstätte Oscar Romero
Der Altar, an dem Oscar Romero erschossen wurde. Bild: privat

Wie viele Kilometer Mauern mit Stacheldraht habe ich in den vergangenen Tagen in El Salvador gesehen? Ganze Wohnsiedlungen sind mit Mauern umgeben und werden von Sicherheitsposten kontrolliert. Überall sind Männer und Frauen mit Maschinengewehren. Mit Mauern und Gewehren will man Sicherheit gewährleisten. Wir sind zu Besuch in einem gespaltenen Land – Spaltungen, die durch Mauern und Gewehre zementiert werden.

Dies ist eine Wahrnehmung der Lebenswirklichkeit, und in den zurückliegenden Jahren haben Frauen und Männer diesen Skandal ausgesprochen und sind dafür umgebracht worden. Wir bewegen uns in der Vorbereitung auf den Weltjugendtag in einem Land der Märtyrer, wir besuchen eine Kirche der Märtyrer. Wir waren am Grab von Bischof Oscar Romero, dem neuen Heiligen des Landes. Wir waren auch am Grab von Pater Rutilio Grande SJ und seinen Begleitern und an dem Ort ihrer Ermordung.

Über den Autor

Theo Paul ist Generalvikar und damit Stellvertreter des Bischofs und Leiter der Verwaltung des Bistums. In seinen Blogbeiträgen greift er gerne aktuelle Themen auf.

In den Gesprächen mit Zeitzeugen und untereinander wird uns noch einmal die zentrale Rolle von Pater Rutilio verdeutlicht. Er hat in die Kirche von El Salvador die Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils und der lateinamerikanischen Bischofskonferenz von Medellin eingebracht. Sein Leben und das vieler Gefährten zeigt: Wenn der Auftrag zum Einsatz für Arme und Entrechtete ernstgenommen wird, verändern sie das persönliche Leben und die Gestalt der Kirche in einem gespaltenen Land.

Wir haben am Grab von Pater Rutilio Grande SJ die Eucharistie gefeiert. Dabei ist uns aufgefallen, Erzbischof Romero wurde in der Eucharistie am Altar ermordet und Pater Rutilio und seine Gefährten auf dem Weg zur Eucharistie! Die Feier der Eucharistie ist gefährlich. In einem Land der Spaltungen und des Todes von Auferstehung und von Leben zu sprechen, macht die Feier der Eucharistie zu einem gefährlichen Geschehen.

Eucharistie ist kein Konsumartikel oder ein interessantes Event, sondern eine gefährliche Erinnerung an Jesus und seine Nachfolger, die umgebracht werden bis in unsere Tage. Die Eucharistiefeier am Grab von Rutilio Grande werde ich nicht vergessen. In dieser Feier haben wir ein Gebet von Pater Rutilio gesungen und gebetet. Der Text spricht mich an und ich möchte ihn weitergeben:

 

Wir gehen alle zum Bankett

Wir gehen alle zum Bankett
zum Tisch der Schöpfung.
Jeder hat, mit seinem Hocker,
einen Platz und einen Auftrag.

Heute stehe ich sehr früh auf,
die Gemeinde wartet schon auf mich;
ich steige fröhlich den Hügel hinauf,
auf der Suche nach Deiner Freundschaft.

Gott lädt alle Armen ein zu diesem Tisch,
der allen gemeinsam ist im Glauben,
wo es keine Unterdrücker gibt,
und niemanden etwas fehlt, um ihn zu decken.

Gott sendet uns, aus dieser Welt
einen Tisch zu machen, wo es Gleichheit gibt,
wo wir gemeinsam arbeiten und kämpfen
und unser Eigentum teilen.

Text: Rutilio Grande SJ, 1977 in El Salvador ermordet; übersetzt von Margit Eckholt

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