Zu viel Stadt …

Frosch
Bild: privat

Als ich gestern die leeren Getränkekisten aus dem Keller holte, stutzte ich … da saß doch etwas vor der Tür! Richtig – ein kleiner Frosch hatte sich dorthin verirrt. An Mücken war der Ort zwar reich gesegnet – aber ob der Kleine dort wirklich so richtig glücklich war? Kurzerhand entschied ich, ihn in den Garten umzusetzen, denn die hohe Kellertreppe würde er von alleine sicher nicht schaffen. Als ich ihn dort wieder frei ließ, blieb er erstmal ganz ruhig sitzen, wahrscheinlich noch etwas fassungslos vom unerwarteten Umzug. Zeit genug zum Fotografieren …

Am Abend schickte ich das Foto einer guten Bekannten, die vor einigen Tagen in die Nähe von Paris gezogen war, und schrieb dazu, dass auch das Eichhörnchen auf seiner abendlichen Erkundungstour noch vorbei gekommen wäre. Postwendend kam ihre Antwort: Wie schön! Hier ist zu viel Stadt für frei laufende Tiere …

Ihre Bemerkung machte mich nachdenklich – zu viel Stadt für frei laufende Tiere … das stimmt natürlich für Paris und andere Großstädte, obwohl auch da inzwischen Füchse, Wildschweine und Waschbären durchaus heimisch geworden sind – von Phantomlöwen mal ganz zu schweigen.

Aber könnte es sein, dass dieser Satz auch in einem anderen Sinn zutrifft? Da, wo zu viel Stadt ist, es Asphalt und Pflaster statt Erde und Gras gibt, vieles zugebaut ist, Autos und U-Bahnen das Tempo bestimmen, man vor lauter Häusern den Himmel nicht mehr sieht … da laufen oft auch die Menschen nicht mehr frei herum. Sie sind eingezwängt in Konventionen und Erwartungen, in Gesetze und Vorschriften, rennen im Hamsterrad von Arbeit und Konsum – und kommen doch nie an. Sie sind sozusagen „an der Leine“, haben ihre Freiheit für ein paar „likes“ an social media verkauft, glauben den Versprechungen fadenscheiniger Götzen und haben den Himmel aus dem Blick verloren.

Über die Autorin

Andrea Schwarz ist Schriftstellerin, war lange Jahre pastorale Mitarbeiterin im Bistum Osnabrück und lebt im Emsland. Sie ist eine genaue und sensible Beobachterin ihrer Umwelt und der Menschen, denen sie begegnet. In ihren Texten versucht sie, Gott mitten im Alltag zu entdecken und Lust aufs Leben zu machen – nun erstmals auch in Form von Blogbeiträgen!

Dort, wo alles zugebaut ist, sieht man keinen Horizont, weitet sich der Blick nicht mehr, da wird es eng, unfrei, nimmt einem die Luft zum Atmen …

Vielleicht gibt es auch in unserer Kirche, in unseren Gemeinden, in den Orden manchmal zu viel „Stadt“, zu viel Struktur, zu viel Zugebautes, zu viel Regeln und Gebote. Eventuell weil das „frei herumlaufen“ nicht so gerne gesehen wird …?

Und es könnte auch eine Anfrage an mich selbst sein: Wie zugebaut ist es in meinem Leben? So voll, so zugepflastert, dass auch ich die Weite aus dem Blick verloren habe …?

Zu viel „Stadt“, um noch frei herumlaufen zu können …?

Die christliche Botschaft ist eigentlich eine andere: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Steht daher fest und lasst euch nicht wieder ein Joch der Knechtschaft auflegen!“ – so heißt es im Brief an die Galater (Gal 5,1).

Zugegeben, um das Phänomen „Stadt“ werden wir in unserer Gesellschaft, in unserer Kirche und in unserem persönlichen Leben nicht herumkommen, wenn wir uns nicht gerade für ein Leben als Einsiedler entscheiden. Und es muss ja auch nicht nur schlecht sein. Das Problem entsteht erst, wenn es „zu viel Stadt“ wird, und wir die Parks, die Bäume und Bäche, die Wiesen und Felder, die Gärten und Wälder vergessen. Dann braucht es manchmal kleine Frösche und Eichhörnchen, in welcher Form auch immer, um uns zu erinnern … an das „frei Herumlaufen“.

2 Kommentare zu “Zu viel Stadt …

  1. Liebe Andrea, ich empfinde das genau so. Ich bin nach 12 Jahren an der Ostsee beruflich wieder nach Paderborn gezogen. Es erschlägt mich gerade. Ich versuche die Ruhe und Intensität der Ostseegegend nicht zu verlieren und oft im Garten anzuhalten, aber es ist nicht leicht das zuviel Stadt auf Abstand zu halten und mich nicht im Angebotslabyrinth zu verlieren.
    Danke für die Reflexionsfragen, ein guter Ansatz um dem zuviel auch in meinem Leben entgegen zu treten.
    Einen schönen Spätsommertag und liebe Grüße Dorothea

    1. Liebe Dorothea, das kann ich gut nachvollziehen! Vielleicht ist es ein erster Schritt, sich dessen bewusst zu werden und zu sein. Und dann zu überlegen, was ich in die andere Waagschale legen kann – so wie Du es ja auch schon tust. Dazu wünsch ich Dir gute Ideen und die Kraft, sie auch umzusetzen! Liebe Grüße nach Paderborn, Andrea

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