Zweifeln ist menschlich

Zweifeln ist menschlich
Bild: pixabay.com, geralt

Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Türen beisammen waren, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten. Thomas, der Didymus genannt wurde, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht. Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder drinnen versammelt und Thomas war dabei. Da kam Jesus bei verschlossenen Türen, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger hierher aus und sieh meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete und sagte zu ihm: Mein Herr und mein Gott! Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Noch viele andere Zeichen hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen.

Johannes 20,19-31

 

„Ich bin so wie Thomas“, sagte mir mal jemand, von dem ich wusste, dass er eher an sich selbst zweifelt. Und der, weil er sich wie Thomas fühlt, ein schlechtes Gewissen hat.

Jesus erscheint den Jüngern. Er zeigt ihnen Hände und Wunden. Seht! Alle freuen sich. Sie erzählen Thomas davon. Er: „Ja klar. Wer’s glaubt …“ Später sagt Jesus zu Thomas: Schau! Und Thomas glaubt, was er sieht. Dann der Satz: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“

Wie hätte ich reagiert? Ich kann Thomas schon verstehen. Klar gab es Andeutungen, Hoffnungen, Marias Behauptung, aber – da geschieht etwas völlig Irrationales und alle nur: „Na das freut uns!“ Thomas, der nun mal nicht dabei war, will sich nichts erzählen lassen: Was, wenn an der Geschichte nichts dran ist? Ein gesunder Zweifel, ein Hinterfragen, ist ja oft durchaus nicht verkehrt.

Spannend: Jesus zeigt den Jüngern sofort Hände und Wunden und zu Thomas sagt er direkt: Sieh meine Hände – der Beweis! Die Jünger fragt Jesus gar nicht erst, ob sie auch ohne Sehen glauben würden.

Der Text endet mit: Diese Zeichen sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt. Also auch für die Lesenden Beweise. Vorbeugend, weil man ahnte: Menschen zweifeln und ohne Zeichen geht es nicht? Jesus gibt Thomas und den Jüngern ungefragt die Möglichkeit, zu sehen. Widerspruch oder realistische Einschätzung der menschlichen Schwäche, nicht blind zu vertrauen?

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Aber ist das eine Schwäche? Für blindes Vertrauen brauche ich gemeinsame Erlebnisse. Gut, die Jünger haben mit Jesus einiges erlebt. Das hier ist aber selbst für sie eine ganz neue Stufe.

Die Bibel ist ja voll (selbst)zweifelnder Menschen (Jeremia – „zu jung“, Sara – „zu alt“ etc.). Sie brauchen Zeichen, um zu entscheiden: Es ist mir unbegreiflich, aber ich lasse mich aufs Unmögliche ein. Jesus verlangt zwar oft einiges, ist aber auch realistisch: Zweifeln ist menschlich. Er auch.

Katharina Westphal