Einen neuen Anfang wagen
Ein junges Paar ist frisch verheiratet. Zum Weihnachtsfest wollen die beiden ein Kaninchen braten. Bevor sie das Kaninchen in den Schmortopf legt, schneidet die Frau die beiden Hinterläufe ab und legt sie extra in den Topf. „Warum machst du das?“, fragt ihr Mann interessiert. „Das muss so sein. Meine Mutter macht das auch immer so.“ Daraufhin fragt der Mann seine Schwiegermutter, warum sie das tut. „Ich weiß es nicht“, antwortet die, „aber meine Mutter macht das auch so.“ Also fragt der Mann die Großmutter: „Warum legst du die Hinterbeine extra in den Topf?“ „Ganz einfach“, antwortet sie, „mein Schmortopf ist so klein, dass der ganze Braten nicht hineinpasst.“ (aus: Typisch! Kleine Geschichten für andere Zeiten, 2005. Hamburg: Andere Zeiten e.V., www.anderezeiten.de).
Vor Kurzem las ich diese Erzählung und dachte, irgendwie passt diese Erzählung zu vielem, was uns in der Kirche gerade beschäftigt:
Da ist natürlich die Coronapandemie mit ihren ganz eigenen Herausforderungen in der Pastoral und auch die Frage nach der Zukunft: Wie wird es nach dieser Zeit werden? Was wird sich verändert haben? Was wird wiederentdeckt?
Ich denke aber auch an den Synodalen Weg, das Ringen darum, wie wir als Kirche die Zeichen der Zeit zu deuten haben und wie begründeter Mut zu Neuem gefunden werden kann.
Und mir kommen die Worte Jesu aus dem Matthäusevangelium: „Niemand setzt ein Stück neuen Stoff auf ein altes Gewand. […] Auch füllt man nicht jungen Wein in alte Schläuche“. (Mt 9.16.17a) in den Sinn.
Mit den Versen aus dem Matthäusevangelium wird die Spannung zwischen „Altem“ und „Neuen“ deutlich: Was ist denn das „Neue“, das sich lohnt zu wagen? Und was ist das „Alte“, von dem sich verabschiedet werden muss?
Über den Autor
Johannes Wübbe ist Weihbischof im Bistum Osnabrück. Auf wen er in seinem Alltag trifft und was ihn beschäftigt – in seinen Blogbeiträgen können Sie das verfolgen.
Aber mir scheint es an der Zeit zu sein, nicht bei diesen Fragen stehen zu bleiben, sondern sich in der Unterscheidung der Geister auf den Weg zu machen. Einen neuen Anfang zu wagen, ohne dabei das eine gegen das andere auszuspielen.
Mit Blick auf die Situation der Kirche hat der inzwischen verstorbene Kardinal Lehmann bereits in einer Predigt im Dezember 1999 bedenkenswerte Worte dazu gefunden:
„Entsprechend muß die Kirche hellhörig, wachsam und selbstkritisch bleiben. Sie muß sich immer wieder fragen, wo ihre Aktivitäten und Sorgen so selbstbezogen werden, daß Vorurteile dieser Art, sie drehe sich nur um die eigene Achse, auf der Hand liegen. Sie muß also immer wieder gegen die eigene Nabelschau ankämpfen. Dies ist nicht so leicht.“
Es ist an der Zeit, den Mut zu neuen Schläuchen, die das Evangelium verlangt, zu wagen und sich vom gewohnten alten Wein zu trennen und dem guten neuen Wein zu trauen. Das heißt nicht, alles, nur weil es alt ist, über Bord zu werfen. Als Kirche haben wir immer mit beidem zu ringen; nur „Das haben wir schon immer so gemacht!“ – ob beim Kochen oder in der Kirche – reicht nicht, sich dem Neuen zu verschließen. Im Gegenteil, gerade für Kirche ist es zutiefst jesuanisch, auch dem Neuen zu trauen als Wirklichkeit der anbrechenden Gottesherrschaft. Es wird nicht reichen, nur den alten Schläuchen zu vertrauen.
Danke , ein schöner Text …regt zum nachdenken an …
Sehr schöner Vergleich. Leider ist der Mut und das Trauen noch nicht genug durchgerungen. In der letzten Botschaft aus Rom is deutlich geworden, dass wir immer noch die Beine abschneiden. Dieses Mal aber nicht in den Topf legen sondern daneben.
Lasst uns einen neuen Topf nehmen und das alte, leckere Rezept kochen. Lasst uns zusammen das Mahl essen, als Gemeinschaft und als ganzes.