6. Dezember 2020
Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott – Gedanken zur Lesung des 2. Advents (Jesaja 40, 1-5.9-11)
Babylon im 6. Jahrhundert vor Christus: Ein großer Teil des Volkes Israel wurde in die Stadt verschleppt, der Tempel und Jerusalem sind zerstört, die Menschen hoffnungslos und entwurzelt. In diesen Abgrund spricht das Prophetenwort. Im Buch Jesaja markiert es einen Bruch: Im vorherigen Kapitel war die Welt des Volkes Israel unter König Hiskija noch halbwegs in Ordnung. Dann bricht die Katastrophe mit dem Untergang des Südreiches über es herein. Hierzu schweigt das Prophetenbuch. Die ersten Worte nach dem Zerfall mitten in das Exil hinein sind diese: „Tröstet, tröstet mein Volk!“
Was sagt man verzweifelten Menschen? Was tröstet? Trost braucht es, um nach einem Verlust anders weitergehen zu können. Trost kann erfahren werden durch Berührt-Sein – von anderen Menschen, durch Musik, Kunst, Stille. Trost braucht Zeit. Es ist hilfreich, sich auf gute Trost-Bilder aus der eigenen Kindheit verlassen zu können: Wie haben Mama und Papa mich früher getröstet und mir vermittelt, dass alles gut wird? Solche Bilder leben in uns weiter und wirken – die guten Erfahrungen ebenso wie die schwierigen.
Woher kommt die Kraft zu trösten? Der Jesaja-Text ist da eindeutig: Die Kraft, aus der sich Trost speist, kommt von Gott – so steht dort:
Jedes Tal soll sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, und was hüglig ist, werde eben. Dann offenbart sich die Herrlichkeit des Herrn. […] Erheb deine Stimme mit Macht, Jerusalem, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme, fürchte dich nicht! Sag den Städten in Juda: Seht, da ist euer Gott. Seht, Gott der Herr, kommt mit Macht, er herrscht mit starkem Arm.
Jesaja 40, 4-5.9-10
Wie mögen diese Worte in den Ohren von Menschen klingen, die alles verloren haben?
Der Prophet ist sich sicher: Gott ist größer als alle Verzweiflung und jede Dunkelheit. Alle trostreichen Handlungen entstammen dieser Quelle und weisen auf ihn hin. Gott ist machtvoll – und gleichzeitig behutsam – wie eine gute Hand, die eine andere hält.
Inge Zumsande