Am Anfang war das Wort, nicht die Zahl!

Am Anfang war das Wort, nicht die Zahl!
Bild: pixabay.com, Firmbee

„Im Anfang war das Wort“ (Joh 1,1). Diesen ersten Vers aus dem Johannesevangelium haben wir in den vergangenen Wochen häufiger im Gottesdienst gehört: der Start ins neue Jahr mit dem Wort Gottes, mit Jesus Christus, dem lebendigen Wort; konkretes Evangelium, frohe Botschaft für unseren Lebensalltag. In diesem Wort ist unser ganzes Leben ausgedrückt mit alldem, was wir erfahren. Jeder Augenblick, die banalste Arbeit und das größte Fest, alles ist in diesem Wort erfasst und aufbewahrt.

Gefragt nach Veränderungen, die unsere Gesellschaft und Kirche kennzeichnen, muss ich von der Dominanz der Zahlen sprechen. Für viele existiert nur, was wir wägen und messen können. „Am Anfang war die Zahl“, könnte man meinen. Was wichtig ist, wird durch Kennziffern, Benchmarks und Rankings erschlossen. Sprache, Bilder spielen nur eine untergeordnete Rolle. Spirituelle Dimensionen, der ästhetische Wert eines Kunstwerkes oder die moralische Qualität einer Handlung haben es da schwer.

Geschehen heute Katastrophen, etwa Pandemien oder Erdbeben, fragt man nach der Zahl der Toten. Heute lösen Katastrophen nicht mehr die Theodizeefrage aus, wie zum Beispiel 1755 das Erdbeben von Lissabon. Das führt zu einer zunehmenden Rat- und Sprachlosigkeit. Die Sprache der Sehnsucht wird abgeholzt, Worte für personale Begegnung und Glauben bluten aus.

Über den Autor

Theo Paul ist Domkapitular und unter anderem für die Krankenhäuser, Klöster und geistlichen Orte im Bistum Osnabrück zuständig. In seinen Blogbeiträgen greift er gerne aktuelle Themen auf.

Was ist mit den Tränen im Gesicht, mit der Zärtlichkeit und Erotik von Liebenden, was ist mit dem Gebet? Haben Statistiken Probleme? Sterben Zahlen an Corona? Werden Zahlen arbeitslos? Ist die Reduzierung der Wirklichkeit auf Zahlen nicht Ausdruck für Realitätsverlust oder Wirklichkeitsflucht?

Jahrelang hat man sich gegen die Ökonomisierung aller Lebenswelten gewehrt, auf die zerstörerischen Folgen im Gesundheitswesen, in der Bildungs- und Umweltpolitik und anderem mehr hingewiesen. Mittlerweile wird die Frage nach Krieg und Frieden wieder mit der Konjunktur verbunden, werden die Dienstleistungen und auch personale Kompetenzen zu Sachleistungen mit entsprechenden buchhalterischen Konsequenzen.

Um der Humanität, um der ganzen Wirklichkeit willen: Am Anfang war das Wort, nicht die Zahl!

 

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