Beten hilft

Häuser an einer Gracht in Amsterdam
Bild: pixabay.com, djedj

Vor Kurzem war ich für einige Tage in der Stadt Amsterdam zu Gast: eine Stadt mit einer langen und imposanten Geschichte. Teil dieser Geschichte sind natürlich auch die vielen Grachten und Brücken, die ihr auch den Namen „Venedig des Nordens“ eingebracht haben. Dabei waren die Namen der Grachten lange Zeit auch „bezeichnend“ für ihre Bewohnerinnen und Bewohner: In der Prinzengracht z.B. waren große Lagerhallen und die Wohnungen für viele Arbeiter und ihre Familien, in der Kaisergracht hingegen wohnten die besser Betuchten – Kaiser vor Prinz …

Heute zeigt sich Amsterdam als große, lebendige Stadt mit vielen Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft, und die Stadtgesellschaft in ihrer Vielfalt bildet sich auch darin ab, dass in den vielen kleineren Häusern entlang der Grachten mit ihrem ganz eigenen Charme längst eine bunte Wohnbevölkerung zusammengefunden hat. Und natürlich: Das birgt auch große Herausforderungen. In Amsterdam wie in praktisch allen Städten dieser Größe suchen Menschen mit ihrer jeweiligen Herkunft und ihren Prägungen nach einer Gestaltung ihres Lebens, die ihnen guttut. Ein Aspekt der entsprechenden Anstrengungen ist in den Niederlanden (wie natürlich auch anderswo) die „Suche nach einem neuen ‚Wir'“.

Über den Autor

Johannes Wübbe ist Weihbischof in unserem Bistum. Auf wen er in seinem Alltag trifft und was ihn bewegt – wir werden das in seinen Blogbeiträgen verfolgen.

Das Dominikanische Studienzentrum für Theologie und Gesellschaft (DSTS), das in Amsterdam ansässig ist, hat deshalb in den vergangenen Jahren zu der Frage gearbeitet, „welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, um die Möglichkeiten hierfür zu schaffen. Auch wurde eine multimediale Website ins Leben gerufen – www.nieuwwij.nl – die ein breites Publikum an dieser Suche beteiligen sollte. Gemeinsam formen Website und Forschungsgruppe ‚Projekt W!R‘, das sich zum Ziel gesetzt hat, den garstigen Graben des ‚Wir und die Anderen‘ zu überbrücken.“ (Manuela Kalsky, nachzulesen unter http://www.jungekirche.de/2014/0114/2014_1%2032ff.pdf, dort auch das nächste Zitat).

Inzwischen besuchen diese interreligiöse und interkulturelle Website, auf der es um neue Formen des Community-Building geht, durchschnittlich 30.000 bis  35.000 unique visitors pro Monat: „Initiativen und Menschen werden ins Bild gebracht, die sich für dieses neue Wir einsetzen: in Politik, Wissenschaft, Kunst, Ökonomie, Religionen, aber auch in kleinen persönlichen Nachbarschaftsinitiativen, in denen Menschen kreativ und mit wenig Mitteln Verantwortung übernehmen für die civic society‚ das Gemeinwohl.“

SchildTatsächlich konnten wir bei unserem Besuch in Amsterdam spüren, dass der christliche Glaube in diesen vielschichtigen gesellschaftlichen Bewegungen auch irgendwie eine Größe ist, aber eben längst nicht mehr so, dass die verfassten Kirchen in traditioneller Weise entscheidende Player wären – dazu nur zwei Eindrücke, die ich gleichsam „im Vorübergehen“ aufgenommen habe:

Zum Stadtbild von Amsterdam gehören großartige Kirchengebäude. Bei einer Grachtenfahrt erklärte die Stadtführerin, dass sie vielfältig genutzt würden: „Für Konzerte, in einigen sind Restaurants untergebracht, in anderen finden Ausstellungen statt. Ach ja: Und hin und wieder werden dort auch Gottesdienste gefeiert“.

SchildAls ich später dann auf den Damsplatz kam, fielen mir zwei Aufsteller auf. Vorne war zu lesen: „Bidden helpt!“ (Beten hilft), auf der Rückseite: „Prayer changes Things“ (Gebete ändern die Dinge). Und auf dem Platz sprachen immer zu zweit Frauen wie Männer, gekleidet mit Westen, die denselben Aufdruck trugen, die Passanten an: freundlich und lächelnd. Sie luden ein, Christus zu entdecken, das Gebet neu zu pflegen.

Was wohl die Passanten, junge wie ältere geantwortet haben? Ich weiß es nicht. Ich weiß auch wenig über diese Initiative und wer sie genau trägt. Und ich weiß auch zu wenig darüber, wie die Kirchen sich über verschiedene Formen der Pastoral in den Niederlanden präsent machen. Aber diese wenigen Eindrücke haben in mir den Gedanken aufkommen lassen, dass wir in unserer Gesellschaft als Glaubende unbedingt angefragt sind, wenn es um die Fragen der Menschen nach gelingendem Leben geht, und dass die Antwortversuche sehr viel breit gefächerter sein müssen als früher. In jedem Fall kommt es darauf an, Interesse zu zeigen und selber interessant zu bleiben  – also wörtlich übersetzt: um der anderen Willen dazwischen zu sein und genau so wahrgenommen zu werden.