Beten – Ideen für den Anfang

Hand mit Regenbogenfarbe
Bild: unsplash.con, Ruan Richard

„Ich würde so gerne beten können“, sagen viele Menschen. Aber dann fehlt ihnen die Zeit oder ein Gedanke für den Anfang. Andere merken, dass sie nicht die passenden Worte finden oder sich ständig ablenken lassen – ganz gleich, ob sie ein Vaterunser sprechen oder frei zu Gott beten wollen. Wie beten gelingen und gut tun kann, das erzählt hier im Interview Pastoralreferentin Nathalie Jelen, die beim Bistum Osnabrück in der Berufungs- und der Hochschulpastoral arbeitet.

Frau Jelen, Hand aufs Herz: Wann haben Sie zuletzt gebetet?

Tatsächlich am zurückliegenden Sonntag. Denn jeder Sonntag beginnt bei mir mit einem kurzen Gebet. Wir sind in der Berufungspastoral drei Kolleginnen und Kollegen, und wir schreiben seit einiger Zeit die wöchentlichen Bibelimpulse. Die enden stets mit einem Gebet, das mir immer vorher zugeschickt wird. Mein Sonntag beginnt also damit, dieses Gebet am Handy zu öffnen und es zu sprechen.

Nathalie Jelen
Nathalie Jelen

Was passiert, wenn Sie beten?

Das ist unterschiedlich. Mal halte ich Stille, ohne etwas zu lesen, mal bete ich ein allgemein bekanntes Gebet, das Vaterunser zum Beispiel oder ein Gegrüßet seist du Maria. Es kann aber auch mal ein selbst formuliertes Gebet sein.

Gehört das Gebet für Sie zum Alltag, fließt es von alleine, oder brauchen Sie einen Anlass?

Ich habe tatsächlich kaum eine feste Struktur, abgesehen von dem Sonntagmorgen. Mal gehe ich in eine Kirche, mal spreche ich ein Gebet zu Hause. Das ist abhängig davon, wo ich gerade bin und was dann gut passt.

Wenn Sie beten, sprechen Sie dann Bitten aus oder reden Sie mit Gott wie mit einem Freund?

Auch das ist unterschiedlich. Sicherlich sind auch immer Bitten dabei, ich spreche aber auch gerne meine Dankbarkeit aus für Dinge, die im Alltag geschehen. Ich finde, da gibt es ganz viel. Das führe ich mir dadurch bewusst vor Augen. Was ist gut gelaufen, was nicht so gut – so lege ich gewissermaßen alles vor Gott hin. Und wenn es stille Zeiten sind, gehen mir auch mal Themen durch den Kopf, die ich entweder weiterfließen lasse oder anhalte, sie mir vor Augen führe und genauer betrachte. Mal ergibt sich daraus wiederum eine Bitte, mal eine Frage.

Haben Sie es schon mal erlebt, dass Ihnen Beten bei einer konkreten Bitte geholfen hat?

Manchmal gehe ich mit einem Anliegen ins Gebet, komme zur Ruhe und dann lassen sich Dinge in der Ruhe sortieren. Ich will nicht sagen, dass sich dann von der einen Sekunde auf die andere etwas verändert, aber es kommt doch immer wieder vor, dass sich im Anschluss an das Gebet etwas zeigt, was vorher so nicht zu sehen war, dass ein Gedanke eine Veränderung bringt. Oder dass ich sagen kann, etwas hat sich gelöst.

Ein Seelsorger hat mir mal gesagt, dass der Mensch nicht gerne betet. Ist beten mühsam?

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Ich würde nicht sagen, dass der Mensch nicht gerne betet. Was ich aber nachvollziehen kann: Wenn ich ein Ritual habe, wenn ich täglich beten möchte, dann muss ich mich dafür bewusst entscheiden. Das kann sicherlich mühsam sein. Für mich wäre das etwas Herausforderndes. Deshalb bewundere ich Menschen und finde es wirklich beeindruckend, wenn sie sagen: Ich habe jeden Morgen oder jeden Abend meine Zeit. Mich würde das wahrscheinlich zu stark herausfordern.

Haben Sie ein Ritual für den Beginn Ihres Gebets?

Normalerweise beginne ich mit dem Kreuzzeichen, dann folgt ein kurzer Moment der Stille. Gerade in der dunklen Jahreszeit mache ich gerne eine Kerze an. So mache mir bewusst, dass ich jetzt ins Gebet gehe.

Und wenn ich dann das kleine Teufelchen auf meiner Schulter sitzen habe, das mir ins Ohr flüstert, jetzt unbedingt etwas viel Wichtigeres zu tun?

(lacht) Ja, das kann ja auch ein Gedanke sein, der mich ablenkt. Dann ziehe ich meine Entscheidung für das Gebet aber durch. Manchmal schaue ich mir den Gedanken noch im Gebet mit an, manchmal sage ich mir: Danke, lieber Gedanke, dass du jetzt da bist und dich meldest. Gib mir zehn oder 15 Minuten Zeit, dann komme ich mit dir ins Gespräch. Aber jetzt ist das andere dran.

Man kann also den Gedanken überlisten?

Ja, wahrscheinlich. Mal besser, mal schlechter. Aber man kann es zumindest probieren.

Ist Gebet eine Einbahnstraße? Ich rede. Oder muss ich auch hören?

Müssen natürlich nicht, aber ich glaube, man kann schon hinhören. In der Stille zum Beispiel kann ich aufmerksam dafür sein, was sich zeigt, dass Gott sich bei mir meldet.

Ist Ihnen das schon mal gelungen?

Weitere Infos

Ich hatte das mal bei Exerzitien, in denen mich eine Frage beschäftigt hat. Daraufhin bin ich an einen bestimmten Ort gegangen, habe die Frage noch einmal neu formuliert und auch ausgesprochen. Dann bin ich einfach dort stehengeblieben. Nach kurzer Zeit hatte ich das Gefühl, dass mir eine Antwort gegeben wurde. Das mag jetzt komisch klingen, es war aber so. Auf diese Antwort habe ich dann auch reagiert.

Hilft ein bevorzugter Ort beim Gebet?

Auch das ist etwas sehr Persönliches. Ich habe keinen solchen Ort. Mein Gebet kann beim Spaziergang sein, zu Hause oder in der Kirche. Aber ich kenne Menschen, denen es hilft, einen solchen festen Ort zu haben, den sie sich gestalten.

Gibt es Hilfestellungen, wie man eine Zeit des Gebets beginnen kann?

In einem Exerzitienkurs habe ich mal die Anregung bekommen, selbst ein Gebet für den Beginn einer Gebetszeit zu entwerfen. Dieses Gebet, das ich mir damals aufgeschrieben habe, nehme ich immer mal wieder hervor, um anzukommen, mich bewusst hinzusetzen oder hinzustellen und dadurch ins Gebet zu kommen.

Wie oft beten Sie?

In der Regel zwei- bis dreimal die Woche. Da muss aber auch wieder jeder für sich sehen, was zu einem passt. Schlecht wäre, sich etwas zu Großes vorzunehmen. Wer sich plötzlich entscheidet, ab sofort jeden Tag zu beten, das dann aber nicht schafft, der betet womöglich daraufhin gar nicht mehr. Leichter wird es wohl, wenn man mit größeren Abständen beginnt: einmal im Monat oder einmal die Woche. Wenn ich merke, dass es mir guttut, kann ich die Häufigkeit ja steigern.

Artikelhinweis Kirchenbote