Bunt statt vergeblich

Im Blick auf die Arbeit in Pfarreien und Gemeinden wird in letzter Zeit oft von der „Last der pastoralen Vergeblichkeit“ (Jan Loffeld) gesprochen. Egal, was wir tun in der Kirche, egal, wie gut wir es tun – es wird doch alles weniger, kleiner, ärmer, trauriger. Oder doch nicht?
In der Samtgemeinde Artland, wo wir mit unserer Pfarreiengemeinschaft leben und arbeiten, sind Menschen aus 93 Nationen zuhause. Die halbe Welt also begegnet sich in Quakenbrück und Umgebung. Von den knapp 25.000 Nachbarinnen und Nachbarn sind rund 5.500 katholisch. Es gibt viele Christinnen und Christen anderer Konfessionen, viele Muslime unterschiedlicher Glaubensrichtungen, immer mehr Menschen aus einer anderen und noch mehr ohne Religion.
Über den Autor
Dominik Blum ist Pfarrbeauftragter in der katholischen Pfarreiengemeinschaft im Artland. Zusammen mit seiner Frau hat er vier erwachsene Kinder. Die besten Einfälle, wenn es um Gott und die Welt geht, kommen ihm im Wald mit seinem Labrador Oscar oder bei Whiskey und Rockmusik.
Mit vielen von ihnen haben wir regelmäßig Kontakt. Wir beten ökumenisch mit den evangelischen Geschwistern an vielen Feiertagen im Jahr – auch am Reformationsfest und an Allerheiligen. Die polnischen Katholiken sind mit ihrer Mission und einem internationalen, mehrsprachigen Gottesdienst monatlich Teil unseres Gottesdienstangebotes. In unseren Kirchen feiern rumänisch-orthodoxe Christen aus der ganzen Region, die griechisch-orthodoxen Quakenbrücker taufen ihre Kinder in der St. Marien-Kirche am Markt. Die ukrainischen Baptisten sind in einer unserer Kirchen gern gesehene Gäste, sie predigen und feiern, beten und lernen mit Kind und Kegel, mit Jungen und Alten und singen so wunderschön. Das große Fest der Kulturen, bei dem sich in unserer Stadt jährlich viele der Menschen aus den 93 Nationen versammeln, eröffnen wir seit einigen Jahren mit einem interreligiösen Gebet in verschiedenen Sprachen. Pfingsten im Sommer sozusagen.
Der französische Kardinal und Erzbischof von Marseille, Jean-Marc Aveline, hat ein ermutigendes Buch über „Gottes Mission für die Menschen“* geschrieben. An der sind wir nämlich beteiligt. Der Bischof stammt aus Algerien, aus einfachsten Verhältnissen, aus dem Volk der „pieds-noir“, der Schwarzfüße, wie sich die Franzosen mit nordafrikanischen Wurzeln nennen. Er ist vertraut mit Migration, Multikulturalität, interreligiöser Geschwisterlichkeit und den Ressentiments gegenüber Fremden und zwischen Juden, Christen und Muslimen. „Die Kirche ist gerufen, am Heilswerk Gottes teilzuhaben, das die ganze Menschheit betrifft“ und sich „in den Dienst der Liebe zur Welt stellen zu lassen“, schreibt Aveline (S 77). Missionarisch zu sein bedeutet also, als Teil des Heilsdialogs Gottes mit den Menschen gute, freundschaftliche „Nachbarschaftsbeziehungen“ aufzubauen – in dem konkreten Stadtteil, im Dorf, für das man lebt und arbeitet. Dialogisch zu sein ist schon Verkündigung der frohen Botschaft, meint der Bischof, die nämlich „immer der kulturellen, sozialen, religiösen, nichtreligiösen, religionslosen, atheistischen Situation einer jeden menschlichen Person angemessen“ sein muss (Seite 83). Dieser dialogische Geist Gottes steht – Gott sei Dank! – „nicht unter dem Hausarrest des engen Rahmens der kirchlichen Institution“ (Seite 86).
Pastorale Vergeblichkeit? Bei dem Begegnungsprogramm wohl eher nicht. Und dass wir Katholiken weniger werden …? „Es beeinträchtigt die Katholizität der Kirche nicht, unter den Bedingungen einer Minderheitensituation zu leben“, schreibt der französische Kardinal Aveline, denn „die Katholizität bemisst sich nicht an der Größe der Zahl, sondern am Geschmack des Salzes, am Leuchten der Lampe, an der Fruchtbarkeit des Sauerteiges.“ (Seiten 120f.) Auf geht’s.
*Jean-Marc Aveline, Christsein als Heilsdialog. Gottes Mission für die Menschen. Ostfildern 2025