Der Papst und die Feministin

Hände mit Herz
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Passen der Papst und eine leidenschaftliche Feministin und Schriftstellerin zusammen? Auf den ersten Blick wohl kaum. Beide gehören der gleichen Generation an, sind in Lateinamerika aufgewachsen und haben dort Militärdiktaturen erlebt. Er in Argentinien, sie in Chile. Beide haben im ersten Coronajahr 2020 ihr neustes Buch veröffentlich: „Wage zu träumen!“ von Papst Franziskus und „Was wir Frauen wollen“ von der international erfolgreichen Autorin Isabel Allende. Unterschiede in ihren Überzeugungen sind unübersehbar, genauso wie bemerkenswerte Gemeinsamkeiten. Die Übereinstimmungen in ihren Ansichten haben mich so überrascht, dass ich darüber schreiben möchte.

Für Isabel Allende sind die feministischen Errungenschaften nicht selbstverständlich, vielmehr auch heute gefährdet. Deshalb richtet sie sich mit ihrem Buch an die Generation der Töchter und Enkelinnen. Sie erzählt von den strengen Lehrjahren als Jugendliche bei ihrem Großvater, dem unangefochtenen Patriarchen der Familie. Frau zu sein, sei ein Nachteil, das war die gängige Überzeugung. Deshalb vermittelte er ihr „Waffen“, um in ihrem Leben unabhängig sein zu können. Sie schreibt von der Liebe zu ihrer Mutter Panchita, die sich stets den Wünschen ihres Mannes angepasst habe, zum Dank dafür von ihm verlassen wurde und deshalb in der Tochter die Saat zur Rebellion gelegt habe. Der Machismo war allgegenwärtig. Auch in der Kirche hat Allende ihn erlebt, weshalb sie mit 15 Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten ist.

Heute ist es immer noch dringend notwendig, sich für die Rechte von Frauen einzusetzen, so der leidenschaftliche Appell von Allende. Die Gewalt gegen Frauen sei weltweit exorbitant hoch und sie werde immer noch relativiert und vielfach verschwiegen.

Die Pandemiezeit fordere zum Nachdenken heraus. Was für eine Welt wollen wir? Allendes Antwort lautet: „Wir wollen eine Gesellschaftsordnung, die nachhaltig ist und auf Respekt füreinander, für andere Spezies und die Umwelt insgesamt gründet. Wir wollen eine Gesellschaftsordnung, …. in der niemand diskriminiert wird aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe, Klassenzugehörigkeit, Alter … Wir wollen eine Welt, in der Frieden herrscht, Einfühlungsvermögen, Anstand, Aufrichtigkeit und Mitgefühl.“ Möglich werde dies nur, wenn Frauen gleichermaßen wie Männer Verantwortung für diesen Planeten trügen. Damit sieht sich die Autorin als Verbündete der jungen Menschen, für die die Zeit dränge.

Über die Autorin

Daniela Engelhard ist Leiterin des Forums am Dom in Osnabrück. Bei der Arbeit in dieser Einrichtung der Citypastoral kommt sie mit vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt. Von Erlebnissen und Themen, die sie bewegen, berichtet sie in ihren Blogbeiträgen.

In „Wage zu träumen!“ beschreibt Papst Franziskus seine ausgereifte Vision für diese Welt und benennt notwendige Handlungsschritte. Er träumt von einer gerechteren, friedvolleren, nachhaltigeren und barmherzigeren Welt. Auch er sieht die Pandemie als Anstoß zum Umdenken und betont ebenfalls: „Die Zukunft wird aus der Verbindung der Jungen mit den Alten entstehen.“ Er wünscht sich eine Wirtschaft, „die den Bedürfnissen aller im Rahmen der Möglichkeiten unseres Planeten gerecht wird“. Als Maßnahmen benennt er etwa die Umstellung auf erneuerbare Energien, die Umsetzung der Biodiversität, maßvollere Lebensweisen, ein am Sozialwohl orientiertes Verständnis von Fortschritt. Angesichts der weltweiten Krise brauche es vor allem die Perspektive der Frauen wie z.B. einflussreicher Wissenschaftlerinnen, um sich den globalen Herausforderungen stellen zu können. Im Vatikan beruft er zunehmend Frauen in Leitungspositionen und betont, dass die erweiterte Rolle von Frauen auch in der Kirche „nicht auf bestimmte Rollen beschränkt“ sei. Solche Worte eröffnen Perspektiven und seine Vision verlangt konkrete Veränderungen.

Der Papst und die Feministin und Schriftstellerin – so unterschiedlich in ihren Wegen und so ähnlich in vielen Zielen. Beide stehen dafür, dass das Träumen ins Handeln führen muss. In diesem Sinne hoffe ich, dass viele der Einladung folgen: „Wage zu träumen!“

 

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