„Gabe des Geistes versiegt nie“

12 Apostel
Bild: pixabay.com, Gerd Altmann

An Pfingsten feiern Christen die Herabkunft des Heiligen Geistes. Dessen Ermutigung und Kraft haben wir immer noch nötig – auch 2000 Jahre nach dem Pfingstereignis, so Bischof Franz-Josef Bode in seiner Predigt. Doch die Widerstandskräfte gegen den Geist seien gewaltig – oft haben wir ihn nur im Zustand der Sehnsucht und Hoffnung. Hoffnung aber bedeute nicht Resignation: „Wir dürfen darauf vertrauen, dass der Geist immer im Kommen ist und seine Gabe nie versiegt.“ Im Folgenden lesen Sie die Predigt im Wortlaut.

„Der Geist war noch nicht gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war.“ Dieser letzte Satz aus dem Evangelium hat mich in diesem Jahr eigenartig berührt. Denn er erinnert mich daran, wie sehr wir immer noch vor Pfingsten leben, obwohl das Ereignis, wie die Apostelgeschichte es beschreibt, schon 2000 Jahre vorbei ist. Aber auch nach 2000 Jahren haben wir es offensichtlich immer noch sehr nötig, mit der Ermutigung und Kraft des Geistes beschenkt zu werden.

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Denn wenn wir auf die derzeitige Lage der Welt, der Gesellschaft, der Schöpfung, der Kirche und unsere persönlichen Erfahrungen schauen, haben wir eher den Eindruck, dass sich Geistlosigkeit ausbreitet, weithin sogar grassiert, und von Geistesgegenwart nicht viel zu spüren ist.

„Der Geist war noch nicht gegeben“, das ist ein Dauerzustand, den wir bei der Feier des Pfingstfestes nicht vergessen dürfen. Die Widerstandskräfte gegen den Geist sind gewaltig. Ich muss sie gar nicht alle aufzählen. So haben wir den Geist oft nur in dem Zustand der Sehnsucht und der Hoffnung, im Zustand der Geburtswehen und nicht schon der Geburt und des neuen Lebens.

Paulus drückt das sehr gut aus: „… die ganze Schöpfung seufzt und stöhnt …“ unter der Ausbeutung, der sie heute ausgesetzt ist durch die Menschen, möchte ich ergänzen. Wir wissen nicht, wie wir in dieser Situation in rechter Weise beten und bitten sollen, weil das Vertrauen in die Wirklichkeit, das Vertrauen untereinander, das Vertrauen in Kirche, ja das Vertrauen in Gott immer mehr schwindet. Das Johannesevangelium spricht vom „Durst“, vom Durst danach, dass doch alles anders und besser werde, und noch mehr vom Durst nach Sinn, nach Hoffnung, nach Zukunft, den allerdings immer mehr Menschen zu ertränken scheinen in Konsumabhängigkeit und die Flucht in alles Mögliche.

Und doch – und das ist ja bei Johannes und Paulus das Entscheidende: Hoffnung ist nicht Erfüllung, aber sie ist erst recht nicht Resignation. Hoffnung erkennt in den Leiden dieser Zeit die Geburtswehen neuen Lebens. Hoffnung setzt auf etwas, das wir noch nicht sehen, und hält uns deshalb wach nach vorn und nach oben. Hoffnung öffnet den Raum für den Geist, der sich gerade unserer Schwachheit annimmt. Und unser Seufzen und das Seufzen der ganzen Schöpfung wird zum Seufzen des Geistes selbst. Er tritt für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern, so heißt es. Er übernimmt unsere Not und Sehnsucht, unseren Durst, unsere Ausweglosigkeit und Überforderung und tritt an unserer Stelle vor Gott, das heißt er bleibt die Brücke zu Gott und zur Liebe Gottes zu uns.

Der geistliche Dichter und Priester Wolfgang Metz hat diese Entscheidung zur Hoffnung verdichtet in einem schönen Text mit dem Titel: „hoffnung und gleichgültigkeit“:

 

die entscheidung zur hoffnung
ist die entscheidung für DICH
die entscheidung zu meinem nächsten
und auch die entscheidung für mich selbst
dass all diese beziehungen gleich gültig wirken

es ist die entscheidung dafür
dass der freiwillige wüstenweg
ein mehr bieten kann
als das entfremdete leben
in bequem gewordener sklaverei

es ist die entscheidung dafür
dass unbekannte orte und menschen
ein mehr zu bieten haben
als das was ich scheinbar
schon sicher im tunnelblick erkenne

es ist die entscheidung dafür
dass DEINE begleitzusage
ein mehr an liebe anbietet
als das was ich bis hierher
schon unablässig erfahren durfte

meine entscheidung zur hoffnung
ist die antwort auf DEINE verheißung
dass DIR meine hoffnung genügt
gleichgültig
was auch passiert

Wolfgang Metz, brannte uns nicht das herz? Gedichte, Würzburg 2017, S. 68

 

Meine Entscheidung zur Hoffnung ist die Antwort auf deine Verheißung, dass dir meine Hoffnung genügt, gleichgültig was auch passiert. – Und aus dieser demütigen und zugleich selbstbewussten Haltung der Sehnsucht, des Durstes, der Hoffnung und dem Bewusstsein, dass Pfingsten war und ist, aber immer noch längst nicht erfüllt ist, können wir den Text der Apostelgeschichte richtig lesen von diesem Ereignis, das offensichtlich die resignierten, mutlosen, aber auch harrenden, suchenden und sehnenden Zeugen und Zeuginnen der Auferstehung erfasst und ihnen einen Impuls gibt, der bis heute wirksam ist wie ein Schwungrad, das in Gang gesetzt wird.

Drei große Bilder bestimmen dieses Ereignis: der Sturm als Bild der Veränderung, der Reinigung und Kraft, das Feuer als Zeichen der Begeisterung, der neuen Zündkraft der Botschaft und das Verstehen der Sprache als Gabe und Impuls zur Verständigung; neue Sprache und Gemeinschaft über alle Grenzen hinaus.

Das ist der Ur-Impuls der Kirche, der neue Impuls für die ganze Schöpfung, für die ganze Menschheit. Wir haben ihn nicht immer im Zustand der großen Begeisterung und Geistesgegenwart, sondern oft mehr im Zustand der Suche, des Durstes, der Sehnsucht und des Unerfülltseins. Aber es ist der Zustand der großen Hoffnung mitten in den Geburtswehen der Schöpfung und der Kirche, dass all die Leiden, all das Unvermögen, all das Arbeiten und Mühen und all das Überfordernde und resigniert Machende nicht umsonst, nicht vergeblich ist gegenüber dem Gott, der in Jesus Christus gekommen ist und in seinem Geist mitten unter uns und in uns bleibt.

weiße Taube
Der Heilige Geist, der an Pfingsten zu den Jüngern Jesu kam, wird oft als Taube dargestellt. Bild: pixabay.com. Kiều Trường

Es ist Geburtsstunde der neuen Schöpfung, Geburtsstunde der Kirche, ihre Taufe in Sterben und Auferstehen, ihre Firmung, das heißt Stärkung, Festigung, Ermutigung zugleich, aber eben im Zeichen nicht endgültiger Erfüllung, damit wir wach und voller Hoffnung unterwegs bleiben, mal mehr mühsam und betrübt, mal mehr freudig und begeistert und meistens irgendwo dazwischen in den Herausforderungen des Alltags.

Es wird und kann nicht jeden Tag Pfingsten sein, und wir bleiben auch nach 2000 Jahren immer noch vor Pfingsten. Aber wir dürfen neu darauf vertrauen, dass es – was auch immer geschieht – dieses Pfingsten gibt für die Schöpfung, für alle Menschen, für die Kirche, selbst in diesen Zeiten. Wir dürfen darauf vertrauen, dass der Geist immer im Kommen ist und seine Gabe nie versiegt. Der Pfingsttag kennt keinen Abend, denn seine Sonne, die Liebe, kennt keinen Untergang (Theodor Fontane), weshalb das persönliche Pfingsten, die Firmung, einen roten Faden anknüpft, der sich durchzieht und nicht mehr zerreißen kann, wo wir ihm Raum geben, ob verborgen oder schwach, ob öffentlich oder stark.

Im Vertrauen auf einen solchen Pfingstgeist, oft eben mehr in der Weise des Durstes, der Sehnsucht und der Hoffnung und des Noch-nicht-Erfüllten, in der Weise der Geburtswehen, können wir auch mit dieser Kirche leben, die von so vielen zur Zeit verlassen wird, die sich der Kirche entfremdet fühlen, weil sie zuweilen so schwer zu ertragen ist.

Auch das hat Wolfgang Metz auf feine Weise verdichtet mit einem demütigvertrauenden „vielleicht“:

 

vielleicht wollte JESUS diese kirche nicht
so institutionell und so fehlerhaft
in menschlicher schwachheit
und GÖTTLICHER hilflosigkeit

 

vielleicht wollte JESUS eine kirche
frei und so vorbehaltlos
in übermenschlicher stärke
und GOTTloser eigenmacht

vielleicht sieht ER sie aber auch an
und sieht dass sie gut ist
in aller geschaffenen menschlichkeit
durchwoben von SEINEM geist

vielleicht wollte JESUS diese kirche nicht so
und doch ist sie ein guter Ort
um menschliche demut
und GÖTTLICHE vergebung zu lernen

und vielleicht wollte ER sie deshalb genau so

Wolfgang Metz, brannte uns nicht das herz? Gedichte, Würzburg 2017, S. 62

 

Vielleicht wollte er sie deshalb genau so … und doch immer wieder anders, durchwoben von seinem Geist.

Nichts erbitten wir an diesem Fest heute mehr als dieses Weben und Wehen des Geistes, gerade in dieser Zeit, in dieser Schöpfung, in dieser Gesellschaft und Kirche und in unserem eigenen Leben.
Amen.