Der Regenbogensatz
„Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit. Und daran werden wir erkennen, dass wir aus der Wahrheit sind. Und wir werden vor ihm unser Herz überzeugen, dass, wenn unser Herz uns verurteilt, Gott größer ist als unser Herz und alles weiß. Geliebte, wenn das Herz uns aber nicht verurteilt, haben wir gegenüber Gott Zuversicht; und alles, was wir erbitten, empfangen wir von ihm, weil wir seine Gebote halten und tun, was ihm gefällt. Und das ist sein Gebot: Wir sollen an den Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben und einander lieben gemäß dem Gebot, das er uns gegeben hat. Wer seine Gebote hält, bleibt in Gott und Gott in ihm. Und daran erkennen wir, dass er in uns bleibt: an dem Geist, den er uns gegeben hat.“
1 Joh 3,18-24
Immer, wenn nach einem Gewitter oder sonst per Zufall am Himmel ein Regenbogen erscheint, reagieren die allermeisten Menschen mit Freude, mit „ach, schau mal, da – ein Regenbogen!“. Und die Leute bleiben einen Moment stehen, schauen in den Himmel und stauen über das Farbkunstwerk, das die Sonne an die Himmel zaubert.
Ich nehme diese Erfahrung, um sie auf eine andere Wirklichkeit zu übertragen: auf ein Regenbogen-wort – ein Wort, so schön wie ein Regenbogen und so groß wie der Himmel, von Horizont zu Horizont gespannt, mit Gültigkeit für alle, die darunter leben.
In der Lesung des heutigen Sonntags aus dem 1. Johannesbrief steht der beeindruckende Satz: „Wenn unser Herz uns verurteilt: Gott ist größer als unser Herz“ (1 Joh 3,20). Das ist ein Regenbogensatz. Mit Lasertechnik könnte man den Satz in dem Himmel projizieren.
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Wenn unser Herz uns anklagt, wenn wir in der innersten Mitte unseres Lebens von unserem Selbst damit konfrontiert werden, dass wir begrenzte Menschen sind, dass wir Ecken und Kanten haben, unter denen wir und unsere Mitmenschen leiden, wenn wir der Brüchigkeit und Fragmentarität unseres Lebens begegnen, wenn wir uns schuldig fühlen, wenn wir unser Herz uns verurteilt, dann gilt: Gott ist größer als unser Herz. Es gibt über all unserer Kleinheit eine erstaunlich schöne und erlösende Größe, nämlich das Geheimnis, das wir Gott nennen, das uns in seiner unbegreiflich weiten Güte berühren will. „Herr, deine Güt ist unbegrenzt, so reich so weit der Himmel glänzt, soweit die Wolken ziehn“, so singen wir in einem Lied (GL 427).
Der Schreiben des Johannesbriefes greift mit diesem Satz auf eine biblische Ursprungserfahrung zurück: Nach der Sintflut hat Gott den Regenbogen in die Wolken gesetzt und in diesem Zeichen seinen Treueid geschworen: Nie wieder will ich von mir aus die Menschen wegen ihrer Schlechtigkeit vernichten. Dass es weiterhin Naturkatastrophen und Pandemien gibt, die viele Menschenleben dahinraffen, ist damit nicht gemeint. Gemeint ist der Regenbogen als Zeichen Gottes für seinen großen gnädigen Willen gegenüber uns begrenzten Menschen.
Ich finde, diese Zusage „Gott ist größer“ so schön wie ein Regenbogen, bunt, farbig, erfreuend, erhebend, österlich und ermutigend gerade dann, wenn vorher ein bedrohliches Gewitter aufgezogen war.
Pater Franz Richardt