Ein Tag für Mensch und Erde

Hand hält Blume
Bild: unsplash.com, Tom Ezzatkhah

Jesus sagte zu den Leuten: „Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier! Denn das Leben eines Menschen besteht nicht darin, dass einer im Überfluss seines Besitzes lebt. Und er erzählte ihnen folgendes Gleichnis: Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte. Da überlegte er bei sich selbst: Was soll ich tun? Ich habe keinen Platz, wo ich meine Ernte unterbringen könnte. Schließlich sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen. Dann werde ich zu meiner Seele sagen: Seele, nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freue dich! Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast? So geht es einem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber bei Gott nicht reich ist.“

Lukas 12,15-21

 

„Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen.“ Der reiche Mann im Gleichnis Jesu formuliert ein bis heute gültiges Gesetz der Wirtschaft: Wachstum. Doch immer mehr Menschen haben mittlerweile begriffen, dass es so nicht weitergehen kann:

„Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“

Demonstranten mit PlakatenDieses Zitat stammt nicht von Greta Thunberg, der bewundernswerten 16 Jahre jungen schwedischen Klimaschutzaktivistin. Ihre „Schulstreiks für das Klima“ sind inzwischen zur globalen Bewegung „Fridays for Future“ geworden. Nein, dieses Zitat stammt vom „Club of Rome“. Fachleute aus aller Welt setzen sich in dieser Organisation seit Jahrzehnten für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit ein. Das Zitat bildet die Zusammenfassung des – man höre und staune – 1972 vom Club of Rome veröffentlichten Berichtes mit dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“. Ein Weckruf auch zum Schutz des Klimas, der weltweit Beachtung fand. Aber getan hat sich in den vergangenen 47 Jahren bitter wenig. Bis heute leben viele Menschen in den westlichen Industrienationen noch immer nach dem Motto des reichen Mannes aus dem Gleichnis: „Seele, nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freue dich!“

Dass diese Denk- und Lebensweise zum Scheitern verurteilt ist, zeigte sich erst am 29. Juli wieder: In nur sieben Monaten, bis zum sogenannten „Earth Overshoot Day“, hatte die Menschheit schon so viel Ressourcen verbraucht, wie die Natur in einem Jahr wiederherstellen kann. Die Organisation „Global Footprint Network“ berechnet den Earth Overshoot Day mithilfe des ökologischen Fußabdrucks. Dieser ist ein Indikator für die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Umwelt. Denn die Ressourcen auf der Erde sind endlich: Wir stoßen beispielsweise mehr Kohlendioxid aus, als Wälder und Ozeane absorbieren können, fischen schneller als sich die Bestände erholen oder fällen mehr Bäume als nachwachsen.

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Hier kommentieren jede Woche Menschen aus dem Bistum Osnabrück eine Bibelstelle aus einer der aktuellen Sonntagslesungen – pointiert, modern und vor allem ganz persönlich.

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Die Kritik am ungehemmten Wachstum, an der Ausbeutung von Mensch und Natur, an Habgier und Profitdenken ist jahrtausendealt. Das Sammeln und Horten von Nahrung, das Besitzstreben wird schon im Buch Exodus der hebräischen Schrift scharf kritisiert. In der Konsequenz führt diese Kritik sogar zum Sabbatgebot der Bibel. Erich Fromm, Psychoanalytiker und Sozialphilosoph, bringt das Ergebnis in seinem Buch „Haben oder Sein“ auf den Punkt: „Am Sabbat lebt der Mensch als hätte er nichts, als verfolge er kein Ziel außer zu sein.“ Der Sabbat sei der Tag, an dem Besitz und Geld ebenso tabu sind wie Kummer und Traurigkeit, ein Tag, an dem die Zeit besiegt ist und ausschließlich das Sein herrscht. „Man könnte fragen“, fährt Fromm fort, „ob es nicht an der Zeit wäre, den Sabbat als universalen Tag der Harmonie und des Friedens einzuführen, als den Tag des Menschen, der die Zukunft der Menschheit vorwegnimmt.“ Ein genialer Gedanke: Ein Tag, an dem die Produktionsbetriebe stillstehen, die Waffen und die Präsidenten schweigen, die Flugzeuge am Boden und die Fregatten im Hafen bleiben, die Autos in der Garage – welch ein Beitrag zum Klimaschutz und zum wahren Mensch sein!

Gerrit Schulte, Diakon