Ein Tag in der Kita

Kinder in der Kita
Bild: Gerber

Dina möchte nicht zum Stuhlkreis. „Ich möchte hier Prinzessin in der Höhle spielen!“ Ihr Gesichtsausdruck lässt keine Zweifel aufkommen: Stuhlkreis in der Wawuschelgruppe ist bei ihr jetzt nicht drin. Erzieherin Marlene Stevens versucht es mit einem Deal: „Sollen wir es so machen, dass ich aufschreibe, dass du nach dem Stuhlkreis hier weiterspielen willst?“

Dina schaut sie an. Überlegt. Nickt. Dann geht sie wieder zurück in ihre Höhle, die umgehängte Decke zieht sie, einer Prinzessin würdig, hinter sich her. „Nein, nachher kannst du wieder spielen, jetzt haben wir Stuhlkreis.“ Dina bleibt stehen, dreht sich, stöhnt kurz genervt aber leise auf – wieder einer Prinzessin würdig –, lässt ihr Deckenkleid fallen und geht mit Marlene Stevens die Treppen zum Stuhlkreis der Wawuschelgruppe hinunter.

Über 200 katholische Kitas und Kindergärten gibt es im Bistum Osnabrück. Fast 19.000 Kinder zwischen einem Jahr und sechs Jahren werden hier betreut. Dass sie sich wohl fühlen, dafür sorgen rund 3400 pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich täglich um die großen und kleinen Probleme der Kinder kümmern. Und jeden Tag versuchen, dass sich die Kinder individuell gut weiterentwickeln können.

Besuch von einer Fledermaus

Stuhlkreis
Zum Abschluss des Stuhlkreises spielt die Wawuschelgruppe passend zum Thema ein Ritterfingerspiel. Bild: Daniel Gerber

In der Wawuschelgruppe sitzen die Kinder mit den Erzieherinnen und Praktikantinnen jetzt im Stuhlkreis zusammen. Sie haben Besuch aus einer kleinen Kiste bekommen: eine Fledermaus. Marlene Stevens hält die Fledermauspuppe in der Hand und erzählt ihnen vom Leben im Mittelalter auf einer Burg, dem neuen Schwerpunktthema in der nächsten Zeit. „Da haben auch Könige gelebt“, wissen die Kinder. „Und es gab Ritterturniere.“

Und während die Wawuschelgruppe über Ritter und Prinzessinnen spricht, frühstückt die Regenbogenhäuschen-Gruppe ein paar Zimmer weiter. Apfelstücke stehen auf dem Tisch. Paprika. Wasser. Kakao. Sichtlich zufrieden mit der Welt wird gegessen. Und über das Leben philosophiert. „Sag mal Ananas!“ „Ne, sag ich nicht.“ „Ich gehe heute mit Mama zum Tanzen anschauen.“ „Manchmal tanzen auch die Wolken.“ „Oder die Schneeflocken.“

Familien, die überlastet sind

118 Kinder besuchen von Montag bis Freitag die Kita im Osnabrücker Stadtteil Schinkel. Viele Menschen mit Migrationshintergrund leben hier, viele Hartz-IV-Empfänger. Sechs Gruppen gibt es in der Kita. Ganztagsgruppen, Vormittagsgruppen, integrative Gruppen mit Kindern mit Behinderung, eine Krippengruppe, eine Spielgruppe und und und. Dass das alles läuft, dafür ist Beate Berger zuständig.

Seit fast 20 Jahren ist sie Leiterin der Kita. Das Telefon klingelt oft in ihrem Büro. Eigentlich permanent. Klingelt es mal zehn Minuten nicht, muss es kaputt sein. Eltern sind am Apparat. Behörden. Sozialeinrichtungen. Zu oft gibt es irgendwelche Probleme. „Wir spüren deutlich, dass viele Familien überlastet sind“, sagt Berger. Überlastung, die sich zu oft auch in Gewalt Bahn bricht. Berger hat schon viel gehört, viel erlebt in den vergangenen zwanzig Jahren. Auftanken kann sie, wenn sie mal für zehn Minuten in eine Gruppe reingeht. „Die Kinder leben im Hier und Jetzt, das tut gut“, meint sie. „Und manchmal sagen die ja die absurdesten Sachen oder es passieren die verrücktesten Dinge – da muss man einfach nur lachen.“ Überhaupt: Humor ist wichtig in einer Kita, in der Erzieherinnen und Erzieher jeden Tag wertvolle Arbeit leisten. „Ganz oft lachen wir zusammen und denken nur so: ‚Das ist jetzt nicht wahr!‘“, meint Berger.

Häuser für die ganze Familie

Kita-GarderobeDie Kita Heilig Kreuz ist eines von fast 100 zertifizierten „Häusern für Kinder und Familien“ im Bistum. „Die Idee ist, nicht nur Betreuungseinrichtung, sondern Erziehungspartner der Eltern zu sein und Familien umfassend zu unterstützen“, sagt Generalvikar Theo Paul. Kitas werden deshalb zu Anlaufstellen für die ganze Familie. Ganz praktisch heißt das zum Beispiel, dass die Betreuungsangebote auf die Bedürfnisse vor Ort abgestimmt werden. Neben der Kinderbetreuung bekommen Familien in den „Häusern für Kinder und Familien“ weitere Hilfen: In der einen Kindertagesstätte sind es Elternkurse, die bei Erziehungsfragen helfen, oder ein Elterncafé, in dem sich Mütter und Väter austauschen können. In der anderen Kindertagesstätte ist es der direkte Draht zur Caritas, über den Familien in schwierigen Situationen professionelle Beratung in Anspruch nehmen können.

Elke Mathlage bringt das Essen. Heute auf dem Speiseplan: Eintopf mit selbst gebackenem Brot. Bild: Daniel Gerber

Essen mischen geht nicht

Während bei Beate Berger wieder das Telefon klingelt, piept ein Haus weiter bei Elke Mathlage der Backofen. Sie steht in der Küche am Herd, rührt noch einmal die Suppe um. Jeden Tag schnippelt, brät, backt und kocht sie mit einer Kollegin etwa 70 Mittagessen. Immer frisch. „Nur, wenn ich krank bin, gibt es mal etwas Tiefkühlkost“, sagt sie und schaut nach dem selbstgebackenen Brot im Ofen. Heute auf dem Speiseplan: Suppe mit Brot und leckerem Nachtisch, Eis mit Apfelcrunch-Müsli.

Was die Kinder gar nicht mögen? „Also, wenn die Sachen gemischt sind, also Karotten mit Erbsen oder so, da wird es ziemlich schwierig“, sagt sie und lacht. Entgegen aller Erwartungen wünschen sich die Kinder gerne auch mal ein Salatbüffet oder Grünkernbratlinge. „Die Kinder sind ja ehrlich, die sagen dann auch schon, wenn es nicht schmeckt“, sagt Elke Mathlage. „Aber die kommen auch oft und sagen: ‚Elke, das war lecker.’“

Die erste Gruppe sitzt im Speiseraum. „Möchtest du die Kerze anzünden oder zusammen?“, fragt die Erzieherin die kleine Lisbeth. „Zusammen.“ Die Kerze brennt, Lisbeth schlägt den Gong. Es wird ruhig im Raum, ein Gebet wird gesprochen. Dann kommt Elke Mathlage mit dem Essen. „Das ist lecker“, findet Bruno und alle anderen am Tisch nicken und löffeln weiter die Suppe in ihre Münder. Oder auf den Tisch.

Während die eine Gruppe noch isst, spielen die ersten Kinder schon draußen auf dem Spielplatz und warten bis sie abgeholt werden, um am nächsten Tag wieder zu kommen. Um zu spielen, zu lachen, basteln, lernen, streiten, Tränen fließen lassen, zu singen, im Bällebad zu toben, im Bewegungsraum zu schwitzen, Sandburgen zu bauen oder sie wieder einzureißen.