Einen Neuanfang wagen
Gerade hatten wieder negative Schlagzeilen über die katholische Kirche in der Zeitung gestanden. Da traute ich meinen Ohren nicht, als mich wenige Tage später im Forum am Dom ein Anruf erreichte. Die Stimme eines jungen Mannes war zu hören. Er wolle in die Kirche eintreten. Wie das denn ginge und ob er dabei begleitet würde. Er nannte seine Beweggründe und ich sicherte ihm gerne Unterstützung zu.
Das Gespräch ging mir noch nach. Wie erstaunlich! Da bietet die katholische Kirche immer wieder Material für negative Berichterstattung. Und trotzdem klopft dieser junge Mann bei uns an. Er sei auf der Suche und glaube, bei uns fündig werden zu können. Er habe den Eindruck, sich mit seiner Sinnsuche bei uns beheimaten zu können. Inständig hoffe ich, dass er auf Dauer eine einladende Glaubensgemeinschaft findet, die ihm diese Beheimatung ermöglicht. Was für ein Schritt, was für ein Neuanfang! Ich habe großen Respekt vor einer solchen Lebensentscheidung.
Einen Neuanfang wagen – dazu ermutigen viele Coaches heute. Es sei nie zu spät, im Leben noch einmal etwas ganz Neues anzupacken. Eine Sprache oder ein Musikinstrument erlernen, ein unbekanntes Land bereisen, ein Ehrenamt übernehmen … Wer etwas Neues wage, werde in der Regel reich belohnt durch überraschende Entdeckungen, ungeahnte Perspektiven und bereichernde Beziehungen. Warum dann eigentlich nicht die Welt einer Glaubensgemeinschaft neu kennenlernen? Das ist ja ähnlich wie das Erlernen einer neuen Sprache. Zu beidem gehört das neue Hören, Verstehen und Sprechen, das Eintauchen in die damit verbundene Atmosphäre und Kultur, die Begegnung mit Menschen, eine Lebenspraxis und eine Sicht auf Welt und Leben.
Über die Autorin
Daniela Engelhard ist Leiterin des Forums am Dom in Osnabrück. Bei der Arbeit in dieser Einrichtung der Citypastoral kommt sie mit vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt. Von Erlebnissen und Themen, die sie bewegen, berichtet sie in ihren Blogbeiträgen.
Zum Weiterlesen
Daniela Engelhard hat noch weitere Texte zur Aktion „mehr als du glaubst“ des Forum am Dom veröffentlicht. Hier finden Sie die Beiträge zu den Themen Enttäuschung und Sinnsuche.
Ähnlich wie manch fremde Sprache ist der christliche Glaube nicht ganz einfach zu verstehen. Sich mit unbekannten Vokabeln vertraut machen und neue Sinnzusammenhänge entdecken (z.B. Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod) – das gehört dazu. Auch die, die die Sprache des Christentums schon lange kennen, sprechen diese nicht perfekt. Es gibt Unsicherheiten, Zweifel, manche Vokabeln oder Teile der Grammatik bleiben unverständlich … Das Christentum ist nicht ein Lehrbuch, sondern eine lebendige Sprache, die sich weiterentwickelt. Es schenkt „Lebensweisheit und Lebenskompetenz“, betont der Theologe Matthias Sellmann: „Ein Leben lebt sich nicht von selbst; man muss Entscheidungen treffen, Antworten geben, Mitstreiterinnen und Mitstreiter finden“, sagt er weiter. Das ist oft genug herausfordernd und anstrengend. Dafür braucht es Ressourcen.
Ich selbst finde diese im christlichen Glauben, vor allem in der Orientierung an Jesus von Nazareth. Der Blick auf diesen einzigartigen Lebensweg schenkt Inspiration, Energie, Hoffnung und Mut zum Neuanfang. All das wünsche ich auch dem Mann, der mich angerufen hatte.