Gelobt sei die Schöpfung

Gelobt sei die Schöpfung

„Heute, nicht morgen: Heute müssen wir die Verantwortung für die Schöpfung übernehmen“, fordert Papst Franziskus in einem aktuellen Video. Denn die Lage ist ernst: Gottes Schöpfung, unsere Erde, ist bedroht – und das schon viel zu lange.

Vor fünf Jahren hat Papst Franziskus seine Enzyklika „Laudato si – über die Sorge für das gemeinsame Haus“ veröffentlicht. In diesem Rundschreiben macht er deutlich, dass wir Menschen in vielen Bereichen über unsere Verhältnisse leben und ruft dazu auf, einen sensibleren und nachhaltigeren Umgang mit der Erde einzuüben.

Der Enzyklika wurde bei ihrer Veröffentlichung das Potenzial eines enormen Impulses für die Umweltbewegung in der Kirche zugeschrieben. Was hat sich seit der Veröffentlichung verändert und was sind die drängendsten ökologischen und sozialen Fragen und Aufgaben von heute? Dazu mehr im Interview mit Regina Wildgruber, Leiterin des Bereichs Weltkirche im Bistum Osnabrück.

Nach der Veröffentlichung wurde „Laudato si“ weltweit und auch im Bistum Osnabrück gefeiert – wie ist die Lage jetzt, fünf Jahre später? Was hat dieser Impuls von Papst Franziskus bewirkt?

Regina Wildgruber
Regina Wildgruber, Weltkirchenbeauftragte im Bistum Osnabrück Bild: Bistum Osnabrück

Das Thema liegt natürlich in der Luft: Es gibt Fridays for Future, Volksbegehren zur Artenvielfalt und viele Menschen wollen immer nachhaltiger und bewusster leben und konsumieren. Leider wird das alles nicht so stark als Thema der Kirche wahrgenommen. Es gibt vereinzeltes Engagement, einige innovative Projekte und gute Ansätze.

Im Bistum Osnabrück sind das zum Beispiel das Programm Faire Gemeinde, die Berücksichtigung ökologischer Komponenten bei Bauprojekten oder ein neuer „Zertifikatskurs Schöpfungskompetenz“ für Engagierte in den Kirchengemeinden. Unsere Bildungshäuser lassen sich derzeit für ihr Umweltmanagement zertifizieren und viele Haupt- und Ehrenamtliche bemühen sich, Schöpfungsverantwortung als festen Bestandteil im Gemeindeleben zu integrieren.

2018 hat die Bischofskonferenz eine wirklich gute Arbeitshilfe mit Handlungsempfehlungen zu Ökologie und nachhaltiger Entwicklung in den Bistümern veröffentlicht. Aber es hapert in vielen Bereichen am selbstverständlichen und öffentlich wahrnehmbaren Einsatz für die Schöpfungsverantwortung – und an der konkreten Umsetzung. Das ist eigentlich unverzeihlich, denn die Bewahrung der Schöpfung ist unser wichtigstes Zukunftsthema.

Viele Menschen bewegt mit Blick auf Zukunft im Moment weniger die Sorge ums Klima und mehr die Angst vorm Corona-Virus …

Aber das hängt ja alles zusammen! Der Rückgang der Lebensräume für Wildtiere führt dazu, dass es weniger Abstand zwischen Tieren und Menschen gibt. So können Krankheiten aus der Tierwelt leichter auf den Menschen überspringen. Corona wird voraussichtlich nicht das letzte Virus sein, das sich auf diese Weise ausbreitet.

Sonne und Wolken und Himmel
Auch „Bruder Sonne“ wird in Laudato si, dem Sonnengesang des heiligen Franziskus, besungen. Die gleichnamige Enzyklika von Papst Franziskus wird 2020 fünf Jahre alt. Bild: unsplash.com, Janis Rozenfelds

Arme Menschen leiden besonders unter Corona – in Deutschland, aber auch weltweit. Das lässt sich auf den Klimawandel übertragen: Auch unter den Folgen der Erderwärmung leiden die Armen im Globalen Süden viel stärker als wir. Da werden Lebensräume für Menschen zerstört. Und das Schlimmste ist: Wir haben keine Zeit mehr. Wir können nicht sagen, wir warten erstmal, bis die Wirtschaft wieder richtig rund läuft und dann kümmern wir uns um den Klimawandel, denn wir steuern ungebremst auf irreversible Kippunkte zu. Wenn wir die überschreiten, ist die Zerstörung unseres Planeten nicht mehr aufzuhalten.

Aber ich will hier gar keine Angst schüren, denn Angst lähmt und das können wir in dieser Situation wirklich gar nicht brauchen …

Was braucht es stattdessen, um die Bewahrung der Schöpfung voran zu treiben?

Da kann „Laudato si“ auf jeden Fall Inspiration sein! Papst Franziskus erläutert in Kapitel 11 anschaulich, dass alles mit allem verbunden ist und dass alle ein Teil davon sind. Wir müssen einüben, zu staunen und uns zu freuen über dieses Wunder Schöpfung. Wenn ich das kann, stellt sich fast automatisch eine Dankbarkeit ein und daraus ergibt sich ein Lebensstil, der die Schöpfung bewahrt und nicht zerstört. Wenn ich begreife, wie beschenkt ich bin mit meinem Platz in der Schöpfung, dann kann ich vielleicht auch besser erkennen, was ich wirklich brauche und was nicht. Dann ist nicht Verzicht das Leitbild meines Handelns, sondern Solidarität. Es geht nicht darum, sich als einzelner Mensch zu kasteien, um den Weltuntergang zu verhindern. Es geht darum, mehr Lebensqualität für alle Lebewesen zu erreichen.

Wie kann denn so ein neuer Lebensstil aussehen? Was muss im Kleinen und im Großen passieren, damit ein Wandel im Denken und Handeln passiert?

Jede und jeder hat einen Handlungsspielraum und kann etwas ändern! Was da mit Klimawandel und Co. passiert ist so monströs, dass viele sich völlig überfordert fühlen und denken: „Das bisschen, was ich mache, kann den Prozess ja eh nicht stoppen. Was kann ich gegen Trump oder Bolsonaro ausrichten, die Weichen in eine ganz andere Richtung stellen?“ Aber das stimmt so nicht. Ich halte es da eher mit dem Evangelium von den fünf Broten und zwei Fischen: Viel zu wenig Essen für alle Hungrigen, dachten die Jünger und mussten dann erkennen: Es reicht doch! Wir müssen Vertrauen haben in Gottes verwandelnde und schöpferische Kraft. Dann wird das, was wir tun, auch wirksam sein.

Weitere Infos

Wir können kleine Schritte im eigenen Gestaltungsbereich gehen und merken: Das bringt Lebensqualität. Und im besten Fall setzen oder unterstützen wir damit Trends für einen bewussten und achtsamen Umgang mit der Schöpfung, die in die richtige Richtung weisen. Egal, ob es dabei um den Verzicht auf Plastik oder um eine ressourcenschonende Mobilität geht. Es bringt nichts, da auf die Politik zu warten. Natürlich geht es nicht ohne die Mächtigen auf dieser Welt, aber auch wir haben Macht! Politiker wollen gewählt werden und machen sich Themen zu eigen, wenn genug Menschen deutlich machen, dass ihnen diese Themen wichtig sind. Durch Änderung des eigenen Lebensstils kann jede und jeder den Boden bereiten, damit politische Entscheidungen getroffen und akzeptiert werden.

Als Kirche sind wir noch immer ein Netzwerk mit vielen Mitgliedern und einer großen Reichweite, deswegen glaube ich, dass es eine große Kraft entwickeln würde, wenn wir als Vorreiter in dem Bereich wahrgenommen werden. Dafür müssen wir mehr über das sprechen, was wir in dem Bereich schon tun. Darüber hinaus müssen wir das Thema aber auch zum Leitmotiv unseres Handelns machen und alles dafür tun, was wir können.